Interview: Wie entsteht ein neuer Lernroboter für Kinder?

“Lasst Kinder forschen!” - Cody-Block-Entwickler Hayri C. Bulman im Gespräch

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Cody Block in gezeichneter Form und rechts in seinen Einzelteilen. Der Wiener Bildungsserver sprach mit seinem Entwickler.

Der Schweizer Unternehmer Hayri C. Bulman blickt auf eine langjährige berufliche Laufbahn im IT- und Digitalisierungsbereich zurück, war etwa für Xerox und GE Informations Services tätig. Seinen schon länger gehegten Wunsch, einen eigenen Lernroboter zu entwickeln, setzte er kürzlich mit der von ihm gegründeten Firma QUBS AG um, wodurch Cody Block entstand.

Um mehr über seine Motivation zu erfahren und einen Blick hinter die Kulissen der Entwicklung eines Lernroboters zu werfen, trafen wir uns mit Bulman zu einem angeregten, rund 90-minütigen Gespräch in Zürich. Ausschnitte davon geben wir hier in der Form eines Interviews wieder. Im Zuge unserer Robotertests haben wir Cody Block zudem auch noch genauer vorgestellt.

Können Sie uns zu Beginn vielleicht etwas erläutern, wie der Prozess zur Entwicklung eines Lernroboters für Kinder abläuft? Welche Gedankenprozesse stehen am Anfang, was sind die ersten Schritte?
Ich hatte zuerst einmal die Idee für den Roboter und begann 2015 daran zu arbeiten. Dann habe ich damit erste Tests gemacht, entwickelt und weiterentwickelt. 2019 gründete ich die Firma (QUBS AG, Anm.), um das Projekt Realität werden zu lassen. Zuerst suchte ich einen Designer. Weil: Eine Idee zu haben ist schön und gut, aber sie muss auch gestaltet werden. Dann habe ich Glück gehabt und einen Super-Designer gefunden, unseren französischen Chefdesigner Oscar Lhermitte. Er hat dann aus der Idee das Produkt entstehen lassen und es ist auch sehr schön geworden. Das hat einfach sehr gut ineinander gegriffen: Meine Idee konnte er sehr schön ein- und umsetzen.

Wurde die Entwicklung auch pädagogisch und/oder wissenschaftlich begleitet?
Auf dem Weg von der Idee zum Produkt haben wir angefangen, alles zu recherchieren. Wir haben etwa Lehrer:innen und Pädagog:innen (in England, Frankreich und den Vereinigten Staaten, Anm.) Muster geschickt, von der ersten bis zur letzten Version. Dann haben wir von ihnen Feedback eingeholt, z.B. zu den Farben oder anderen Aspekten. Im Lauf der Entwicklung haben wir einen weiteren Glücksgriff gemacht und konnten Federica Orlati als unsere General Managerin gewinnen. Sie hat früher für Cubetto gearbeitet. Sie brachte sehr viel Erfahrung mit und konnte uns auch empfehlen, mit wem und wie wir testen sollen. Das war alles professionell vorbereitet.

Welche pädagogischen Konzepte hatten Einfluß auf die Entwicklung ihres Lernroboters?
Montessori als pädagogisches Konzept ist in unsere Überlegungen eingeflossen, also zumindest für die Entwicklung von Cody Block (QUBS AG plant bereits eine ganze Reihe anderer Lernroboter, Anm.). Für Montessori etwa war es immer wichtig, nicht zu sehr zu übertreiben. Daher haben wir uns etwa entschieden, Cody Block nicht mit Geräuschen, Lichtern oder zusätzlichen Effekten zu versehen. Jean Piaget ist für uns aber auch eine sehr wichtige Inspiration gewesen, ein Taktgeber für unser Produkt.

Kinder muss man lassen, die wollen etwas machen. Wir wollen zulassen, die Kinder forschen lassen. Die werden schon selber Lösungen finden. Daher war für uns Taktilität (Fühlbarkeit) auch ein ganz besonderer Punkt. Uns war wichtig, dass die einzelnen Stücke etwas repräsentieren. Unsere Stücke sollen für sich selbst sprechen. Kinder werden in zwei Sekunden herausfinden, was sie damit machen können. Sie sollen das Spielzeug in die Hand nehmen und damit aktiv werden.

Wie ist man auf die Idee gekommen, den Roboter in Form eines Autos zu konzipieren?
Zuerst war nicht gleich die Idee da, den Roboter in Autoform zu bauen. Aber wir wollten in jedem Fall ein sich bewegendes Objekt herstellen. Wir haben dann viel diskutiert: Wie sollte dieses Objekt aussehen? Soll es ein Roboter werden, oder soll es eher wie ein Tier aussehen? Dann kam die Idee auf einen Wagen, ein Auto. Und dafür haben wir uns dann entschieden im Team. Ein Roboter wäre uns zu spielerisch gewesen. Wir wollten aber auch kein Tier, weil: In der Natur funktionieren diese nicht so, man kann die Tiere nicht programmieren. Das sind Lebewesen und wir wollten nicht vermitteln: Ein Tier, eine Biene (wie etwa den Bee-Bot) kann man programmieren. Aber ein Auto kann man auch "im echten Leben" programmieren. Zudem war uns auch der Gedanke wichtig, dass ein Auto sowohl von einer Frau wie einem Mann gefahren wird.

 

Ein weiterer wichtiger Aspekt bei Cody Block scheint ja auch Nachhaltigkeit zu sein, ein Set besteht zu einem Großteil aus Holz (Plastikanteil unter 3%, Anm.). War dies eine bewusste Entscheidung?
Es gibt eine neue Generation jetzt, wo das Umweltbewusstsein sehr hoch ist. Wir ernähren unsere Kinder sehr vorsichtig heute. Wir geben ihnen heute kein Junkfood mehr. Wieso sollten wir ihnen Junk-Spielzeug in die Hand geben? Daher war Nachhaltigkeit in der Entwicklung für uns sehr wichtig. In Englisch sagen wir zu dieser Art Spiel/Spielzeug "Legacy": Das können Sie heute in den Keller schmeißen und in zehn Jahren wieder hervorholen und es funktioniert noch immer. Sie brauchen keinen Screen, kein Internet, nichts. Sie müssen es nur aufladen können, das ist alles.

Produziert wird der Roboter dennoch in China, soweit wir gesehen haben? Inwiefern passt dies mit dem Thema Nachhaltigkeit zusammen? Eine Produktion in Europa wäre nicht möglich gewesen?
Doch, ich und wir kämpfen darum, die Produktion nach Europa zu bringen. Wir haben sehr viel Probleme damit erlebt: Einerseits wegen der COVID-Pandemie, dann auch wegen der weltweiten Chip-Engpässe und zuletzt auch wegen dem Transport. Dadurch haben wir über ein Jahr Zeit verloren. Wir können etwa nicht direkt zu unserem Produzenten fahren, wir mussten alles online besprechen. Und das alles hat den Prozess verlangsamt.

Dann gab es in China auch Lockdowns, das war alles sehr mühsam. Deswegen wollen wir auch die Produktion in Europa haben. Das Problem dabei ist: Wir können dieses Holzspielzeug auch hier in Europa produzieren, aber die Elektronik (Cody Block wird über RFID-Tags gesteuert, Anm.) und die Verarbeitung davon ins Holz momentan nicht. Dazu müsste man einen Partner finden, der alles zusammenbauen kann. Diese Firmen gibt es momentan in Europa nicht - das ist abhandengekommen. Wir sind auch bereit, dafür mehr Geld zu bezahlen, weil wir momentan diese Kosten für den Transport aufwenden müssen.

Zum Abschluss noch eine Frage zum Thema Digitalisierung in der Schweiz, vor allem in Kindergärten und Schulen: Gibt es hier Ihrer Meinung nach genug Angebote?
Aus meiner Sicht ist die Entwicklung hier sehr langsam. In Deutschland gibt es sehr viel Bewegung, auch in England. In Frankreich ist sie auch etwas langsamer. In der Schweiz fehlt die Einsetzung von neuen Ideen. Im Bereich der Wirtschaft sind wir wohl weltweit führend, aber in den Schulen passiert sehr wenig. Für Erwachsene ist es kein Thema, da arbeiten wir sehr selbstverständlich damit.

Aber für junge Kinder sieht es anders aus und da passiert sehr wenig. Die Erwartung ist hier oft auch: Die werden das zu Hause schon mitbekommen. Aber dann bekommen wir halt nur reine Benutzer:innen, aber keine Entwickler:innen. Wir sollten auch mehr Entwickler:innen haben, IT-Entwickler:innen, Software-Entwickler:innen etc. Genügend User:innen gibt es auch woanders, aber entscheidend sind die Entwickler:innen.

Das habe ich auch meinem Sohn immer wieder erklärt, er ist mittlerweile 25 Jahre alt. Ich habe ihm immer wieder erklärt: Bleib nicht VOR dem Bildschirm, sondern geh HINTER den Bildschirm. Da ist viel mehr zu entdecken, da ist eine andere Welt. Du bist Konsument hier, du konsumierst - blick’ hinter die Kulissen!

Lieber Herr Bulman, herzlichen Dank für dieses Gespräch und den Blick hinter die Kulissen Ihrer Firma!



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