Digitales Lernen: Tablet und PC in der Volksschule

Förderunterricht mit Tablet und PC – eine Reportage aus der Volksschule Brünner Straße 139 im 21. Wiener Bezirk.

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Förderlehrerin Uschi Fleischmann mit Schülerinnen einer dritten Klasse, die gerade daran arbeiten am Tablet ein E-Book mit einer schrittweisen Bastelanleitung für einen Kastanienigel zu erstellen.

Ein Oktober-Vormittag in der Volksschule Brünner Straße 139 im 21. Wiener Bezirk. Lehrerin Uschi Fleischmann betritt den Computerraum, gefolgt von 11 Schülerinnen und Schülern einer ersten Klasse. Als Förderlehrerin für alle Klassen steht bei Uschi Fleischmann die Förderung der Kinder mithilfe digitaler Medien im Fokus. Dazu wird jede Klasse in zwei Gruppen geteilt. Während eine Gruppe die Zeit im Computerraum verbringt, bleibt die andere im Unterricht im Klassenzimmer. Nach einer halben Unterrichtsstunde wird getauscht.

Buchstaben-Training mit Anlaut-Tastatur

Sie setzt sich an einen Computer, die 11 Erstklässlerinnen und Erstklässler stellen sich rund um sie auf. „Zuerst zeige ich euch vor, was wir machen und dann setzt sich jeder an den Computer, an dem er beim letzten Mal gesessen ist, ja?“, weist sie die Kinder an. Sie startet das Programm Schreiblabor 2 und beginnt zu erklären. Sie wählt ein freies Schreibtool, bei welchem eine Anlaut-Tastatur angezeigt wird. Die Buchstaben sind wie auf einer gewöhnlichen Tastatur angeordnet, zusätzlich werden jedoch kleine, simple Symbole angezeigt – ein Apfel beim Buchstaben A, ein Mond beim M usw. Die Aufgabe heute: Eine Zeile lang die Buchstaben „Mm Mm“ schreiben. Also nehmen die Erstklässler ihre Plätze ein und legen los.

„Diese Anlaut-Tastatur ist fürs phonologische Bewusstsein wichtig: Jedes Mal wenn sie auf das M klicken, hören sie den Buchstaben auch über die Kopfhörer. So hören sie’s auch, wenn sie Fehler machen“, erklärt Ursula Fleischmann. Dies ist ein Aspekt, der ihr persönlich am Einsatz von Computer und Tablet im Unterricht besonders gefällt: „Der Mehrwert liegt für mich darin, dass die Kinder durch Bild, Text und Ton einfach sehen, was sie haben.“ Doch Uschi Fleischmann engagiert sich nicht nur innerhalb der Schule für die Vermittlung digitaler Kompetenzen. Gemeinsam mit Harald Axmann ist sie außerdem eEducation-Koordinatorin für die Grundstufe im Bundesland Wien. Die Volksschule Brünner Straße 139 ist eine Expert-Schule im eEducation Austria-Netzwerk.

Teamwork ist erwünscht

Schon nach wenigen Minuten meldet sich das erste Kind: „Uschi, ich bin fertig!“. Die Buchstaben stimmen, doch an manchen Stellen hat der Bub die Abstände vergessen, erklärt die Förderlehrerin beim Überprüfen des Ergebnisses, und zeigt ihm, wie er die Abstände nachträglich einfügen kann. Schon meldet sich wieder eine Schülerin, Uschi Fleischmann wirft einen prüfenden Blick auf ihren Bildschirm: „Super, alles richtig!“. Die Schülerin am PC nebenbei ist noch nicht so weit, also schlägt die Lehrerin vor: „Wenn du das so gut kannst und schon fertig bist und sie noch nicht so weit ist, darfst du ihr auch gerne helfen.“ Gesagt – getan. Auch am anderen Ende des Tisches helfen zwei Burschen einander bei der Aufgabe. Teamwork ist in Uschi Fleischmanns Unterricht nicht nur erlaubt, sondern meist sogar erwünscht: „Ich bin der Meinung, dass die Kinder auch voneinander lernen können.“

Wer die Aufgabe fertig hat, darf sich eines der Lerntools des Schreiblabor-Programms aussuchen und sich damit beschäftigen. Einige spielen ein Memory, bei welchem zu verschiedenen Symbolen die richtigen Anfangsbuchstaben gefunden werden müssen, andere arbeiten mit dem „Buchstaben kennenlernen“-Programm oder versuchen Buchstaben in unterschiedlichen Typographien zu erkennen. Insgesamt arbeiten und grübeln jedoch alle Kinder fleißig vor sich hin.

Wertschätzung der Erstsprachen

Dinge wie „Mm“ zu schreiben seien nur der erste Schritt, erklärt Uschi Fleischmann: „Der nächste Schritt ist dann, dass die Kinder fünf Wörter schreiben, die sie oben im Unterricht schon gelernt haben. Da beziehen wir meistens auch die Erstsprachen mit ein: Zum Beispiel wenn sie ‚der Apfel‘ schreiben, dürfen sie’s, wenn sie wollen, zusätzlich auch in ihrer Erstsprache schreiben.“ Dabei ginge es nicht darum den Kindern ihre Erstsprache schriftsprachlich zu lernen, sondern darum diese wert zu schätzen, erklärt die Förderlehrerin. Das 10-Finger-System wird ab der zweiten Klasse trainiert. „Das ist auch gut für die Verbindung der rechten und linken Gehirnhälften“, weiß die Lehrerin.

Die Tücken der Technik

Nach knapp einer halben Stunde bringt Uschi Fleischmann die Kinder wieder hinauf in ihre Klasse. Die nächsten Schülerinnen und Schüler sollen auf den Tablets arbeiten. Diese hätten zwar über Nacht geladen werden sollen, dem hat aber leider ein Stromausfall einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ob zwei Stunden Ladezeit genügen, um damit zu arbeiten? „Nun heißt’s hoffen“, meint Uschi Fleischmann und checkt die Akkustände – mit Erleichterung: Die Tablets sind gut geladen. Derartige Schwierigkeiten seien natürlich ein Nachteil solcher Technik, fügt sie hinzu. Im Zweifelsfall brauche man eben einen Plan B.

Ein Kastanienigel am Tablet

12 Schülerinnen und Schüler aus einer dritten Klasse treffen ein und nehmen Platz. Die Aufgabe: In Zweiergruppen mithilfe eines Tablets ein eBook erstellen, in welchem mit Fotos und Text jeder Arbeitsschritt zum Basteln eines Kastanienigels erklärt wird. Uschi Fleischmann erklärt den Kindern genau die Aufgabe und zeigt zur Erinnerung die dazu verwendete App InNote vor. Als Hilfestellung schreibt sie Wörter wie Kastanienigel, Zahnstocher oder bohren an die Tafel.

Während die Kinder mit Kastanien, Handbohrer, Zahnstocher und Tablet arbeiten, geht die Lehrerin von einer Zweiergruppe zur nächsten und gibt Tipps und Hilfestellung. Es wird fleißig gegrübelt, diskutiert, gebastelt und fotografiert. Eine knappe halbe Stunde später ist der Unterricht für diese Gruppe vorbei. Die Kinder sind mit ihren eBooks zwar noch nicht fertig, sollen ihre Arbeit jedoch abspeichern und nächste Woche fortsetzen.

„Die Kinder kommen gerne. Dadurch habe ich auch kaum disziplinäre Schwierigkeiten“, erzählt Uschi Fleischmann. Die Beobachtung bestätigt: Lediglich einmal musste sie einschreiten, als ein Bub zu fest auf die Tastatur gehackt hat. Insgesamt haben die Kinder jedoch stets fleißig an ihren Aufgaben gearbeitet. „Wichtig ist: Das didaktische Konzept muss im Vordergrund stehen“, erklärt die eEducation-Koordinatorin und rät: „Es sollen nicht Medien verwendet werden, um sie zu verwenden, sondern es sollte immer überlegt werden: Wo liegt der Mehrwert? Was will ich damit erreichen? Wo setz ich was wie ein? Das Motto lautet: Medien zum Produzieren einsetzen, nicht zum Konsumieren!“.


Zur Person:

Dr. Ursula (Uschi) Fleischmann, MA ist Förderlehrerin an der GEPS-Volksschule Brünner Straße 139 im 21. Wiener Bezirk. Außerdem ist sie, gemeinsam mit Harald Axmann, eEducation-Koordinatorin für die Grundstufe im Bundesland Wien und im Team ConnectedKids für Tablet-Einschulungen zuständig. Sie hat den Master-Studiengang eEducation an der Donau-Universität Krems, sowie ein anschließendes Doktoratsstudium an der Universität Wien absolviert.



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