Wenn Jugendliche Radio machen

Zu Gast bei “Radio Poly” in der FMS/PTS Wien 3, wo eine Gruppe Jugendlicher erfährt was es bedeutet eine Radiosendung zu produzieren.

Berichte & Reportagen Reportage
In der Bücherei der PTS/FMS Wien3 befindet sich auch das Radio Poly-Studio, in welchem die Radiogruppe regelmäßig ihre Sendungen aufnimmt.

“Ihr wollt wissen wie wir Jugendlichen ticken? – Dann hört Radio Poly!”, tönt es durch die Lautsprecher in der Bücherei. Ein stolzes, leicht verschämtes Grinsen macht sich auf den Gesichtern der Jugendlichen breit. Was die SchülerInnen der Radio Poly-Gruppe da hören, ist ihr eigener Radio-Jingle, den sie vergangene Woche selbst produziert haben. “Wir waren fleißig!”, erzählt Lehrerin Gabriela Pranieß ihrem Kollegen Andreas Swatosch, der letzte Woche krankheitsbedingt ausfiel.

Kreative Erziehung mit Radio Poly

An der Fachmittelschule Wien 3 in der Maiselgasse wird schon seit vielen Jahren Radio gemacht. Was mit anfänglicher Unterstützung von mediamanual und dem wienXtra-medienzentrum entstand, hat mittlerweile in den Regelunterricht Einzug gehalten. Mittlerweile ist das Radio Poly einer von mehreren möglichen Schwerpunkten im Fach Kreative Erziehung. Seit fünf Jahren hat die Schule sogar ein eigenes, kleines Radiostudio, dazu wurde eine ungenutzte Ecke der Bücherei umfunktioniert. “Ich mache es jedes Jahr wieder gerne. Es ist immer spannend, was am Ende dabei rauskommt”, erzählt Gabriela Pranieß lächelnd. Mehrere Preise, unter anderem ein media literacy award 2019, beweisen den Erfolg des Projekts.

In der Redaktionssitzung der Radiogruppe zerbricht man sich unterdessen gerade den Kopf. Der vorläufige Arbeitstitel der nächsten Sendung lautet “Reich durchs Netz”, die SchülerInnen haben das Thema gewählt und wollen sich näher mit YouTuberInnen beschäftigen. In den letzten Wochen haben sie daher verschiedene YouTuberInnen angeschrieben und sie um ein Interview gebeten, doch es hat niemand geantwortet. “Wie sollen wir jetzt eine Radiosendung über YouTuberInnen machen ohne Interview?”, überlegt eine Schülerin. Die Lehrerin stellt die Frage in die Runde, die SchülerInnen grübeln. “Straßeninterviews!”, antwortet schließlich ein Schüler, die anderen nicken zustimmend. Gesagt – getan.

Straßeninterview-Premiere

Mit Unterstützung der Lehrerin erarbeiten die SchülerInnen gemeinsam drei Fragen für die Straßeninterviews, die sie aufnehmen wollen. Andreas Swatosch bereitet währenddessen die Audio-Aufnahmegeräte vor. Die SchülerInnen werden dabei in jeden kleinen Schritt mit einbezogen: Schnell das YouTube-Logo ausdrucken, um die Leute auf der Straße zu fragen, ob sie es wieder erkennen, die Fragen für das Interview abtippen und auch auf Englisch übersetzen – hier ist aktives Handeln gefragt. “Die Schüler sollen einfach möglichst viel zum Prozess beitragen”, erklärt Andreas Swatosch, der das Projekt seit etwa fünf Jahren begleitet.

Als die Fragen vorbereitet sind, erklärt der Lehrer den SchülerInnen die Aufnahmegeräte. In drei Dreiergruppen machen sich die Jugendlichen gleich auf, um möglichst viele Straßeninterviews für ihren Beitrag aufzunehmen. Dabei müssen nicht nur fremde Menschen angesprochen und interviewt werden, auch auf die technische Handhabung der Geräte muss geachtet werden: “Versucht, auf zu laute Straßengeräusche und auf Windgeräusche aufzupassen”, raten die Lehrenden, bevor sich die Teams auf den Weg machen – sie haben 45 Minuten Zeit.

Vielfältiges Fördern und Fordern

“Wenn’s gut geht, produzieren wir etwa drei bis vier Sendungen im Schuljahr”, weiß Gabriela Pranieß aus Erfahrung. Thematisch dürfen die SchülerInnen stets mitentscheiden. Der Spaßfaktor soll dabei nicht zu kurz kommen, sind sich die beiden Lehrer einig, daher versuchen sie möglichst frei und flexibel mit den SchülerInnen zu arbeiten und sie stark in den Produktionsprozess mit einzubeziehen. “Man fördert und fordert viele Dinge, die im alltäglichen Unterricht oft nicht so vorkommen”, erklärt Andreas Swatosch. Soziale Kompetenzen, Teamarbeit, Medienkompetenz sowie selbstbewusstes Auftreten und Sprechen – all das geht bei Radio Poly mit einher.

Nach 45 Minuten sind alle pünktlich zurück, aufgeregt erzählen sie von ihren Erlebnissen. Eine Gruppe musste das Straßeninterview sogar auf Englisch führen. Gemeinsam werden die Aufnahmen angehört. “Für das erste Mal ist das toll”, zeigen sich Gabriela Pranieß und Andreas Swatosch zufrieden, es ist schon viel nützliches Material dabei. Bis zum nächsten Mal erhalten die SchülerInnen einen Arbeitsauftrag: Sie sollen zuhause ihre Eltern, Geschwister und Freunde interviewen und die Interviews mit ihren Smartphones aufnehmen. “Aber was wenn die kein Deutsch können?”, überlegt ein Schüler. “Das ist kein Problem, dann führ’ das Interview in der Muttersprache und wir synchronisieren das später für den Radiobeitrag – das ist doch super!”, meint Andreas Swatosch und verabschiedet die SchülerInnen. In wenigen Wochen findet die nächste Redaktionssitzung statt.


Sie haben Interesse mit Ihren SchülerInnen Radiobeiträge oder Hörspiele zu produzieren? Besuchen Sie das Netzwerktreffen der Wiener Radiobande! Die Treffen dienen dem Erfahrungs- und Methodenaustausch zwischen PädagogInnen und richten sich an interessierte sowie an bereits mit der Audioproduktion vertraute Personen. Die Netzwerktreffen werden von der PH Wien als Fortbildung für LehrerInnen anerkannt. Das erste Treffen findet am 2. März 2020 von 17 bis 19 Uhr bei Radio Orange 94.0, Klosterneuburger Str. 1, 1200 Wien statt. Mehr dazu im News-Beitrag.



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