Mensch oder KI? Der Turing-Test

Schüler:innen lernen den Turing-Test kennen und führen diesen selbst durch.
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Sekundarstufe II
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Geschichte & Sozialkunde
Naturwissenschaften

Kompetenzen der Digitalen Grundbildung

  • Information
  • Handeln
  • Kommunikation

Kerngebiete

  • Aspekte von Medienwandel und Digitalisierung
  • Computational Thinking
  • Informations-, Daten- und Medienkompetenz

Ressourcen


Einführung

Der britische Mathematiker und Informatiker Alan Turing entwickelte 1950 einen Versuchsaufbau, mit dem herausgefunden werden sollte, ob eine Künstliche Intelligenz über ein dem Menschen gleichwertiges Denkvermögen verfügt. Dabei stellen sich ein Mensch und ein Computer abgeschirmt der intensiven Befragung durch eine:n menschliche:n Fragesteller:in. 

Der Turing-Test basiert auf der Idee, dass eine Maschine als intelligent betrachtet werden kann, wenn ihre Antworten in einer textbasierten Konversation nicht von den Antworten einer menschlichen Gesprächsperson unterschieden werden können. Dies bedeutet, dass die Maschine in der Lage sein sollte, menschenähnliche Kommunikation, Sprachverständnis und problematische Aufgaben zu bewältigen.

Weitere Informationen zu Alan Turing und seinem entwickelten Test befinden sich auf dem Informationsblatt Turing-Test.


Hinweis: Das Konzept menschlicher “Intelligenz” steht aufgrund seiner Unklarheit und Vieldeutigkeit, seiner Messmethoden und seinen sozialen und ethischen Implikationen in der Kritik. Standardisierte Intelligenz-Tests spiegeln nicht die gesamte Bandbreite menschlicher Fähigkeiten wider und erwecken den Anschein, Menschen nach ihrer “Intelligenz” bewerten und hierarchisieren zu können. Die Verwendung von Intelligenztests kann somit zu Diskriminerung, Vorurteilen und Stigmatisierung führen. Generell sollte der Begriff der Intelligenz differenzierter betrachtet werden, um eine umfassendere Einsicht in die menschlichen Fähigkeiten zu gewinnen.


In dieser Praxis-Idee lernen die Schüler:innen zunächst den Turing-Test kennen, probieren den Test in einem kleinen Selbstversuch aus und diskutieren, welche Unterschiede es zwischen KI und dem menschlichen Bewusstsein gibt. 

Für diese Praxis-Idee sollten die Schüler:innen bereits Grundkenntnisse über Künstliche Intelligenz gesammelt haben, damit der Einstieg und die praktische Durchführung einfacher gelingen. Dazu eignet sich die Praxis-Idee Künstliche Intelligenz verstehen: Maschinenlernen.


Durchführung

DISKUSSION | Unterschied zwischen Mensch und KI

Plenum

Zur Einstimmung in das Thema eignen sich folgende Diskussionsfragen an die Klasse.

  • Was versteht ihr unter Bewusstsein? Was macht das Bewusstsein eines Menschen aus?
  • Kann eine Maschine bzw. Künstliche Intelligenz auch ein Bewusstsein entwickeln? 
  • Sollte eine KI ein Bewusstsein haben, wo liegen dann die Unterschiede zwischen Mensch und KI? Gibt es dann überhaupt noch Unterscheidungsmerkmale?
  • Was macht menschliches Denken einzigartig? 

ERKLÄRUNG & INPUT | Kann KI ein Bewusstsein erlangen?

Eine sehr gute und knappe Zusammenfassung über das Thema KI und menschliches Bewusstsein, Turing-Test sowie Kritik an solchen Mensch-Maschine-Tests zeigt das Video Kann KI ein Bewusstsein erlangen? des Kanals Dimension Ralph von Quarks mit Moderator Ralph Caspers (8:53 Minuten), das die Klasse als Vorbereitung für die nächste Aufgabe gemeinsam anschaut.

AUFGABE | Der Turing-Test im Klassenraum

Plenum/Gruppenarbeit

Im Video Kann KI ein Bewusstsein erlangen? wurde der Versuchsaufbau des Turing-Tests bereits dargestellt. Nun sollen die Schüler:innen selbst mal in verschiedene Rollen schlüpfen.

Drei Schüler:innen bilden eine Gruppe, die sich anschließend in einen separaten Raum mit einem internetfähigen Computer oder Tablet einfinden. Der Computer oder das Tablet sollten nicht für Recherchezwecke verwendet werden, sondern nur zur Übermittlung der Antworten. Die Gruppe ist mittels Chat oder Pad (EtherPad oder eduPad) mit der Lehrperson in Kontakt. Die Lehrperson kann mit wenigen Klicks ein neues Pad erstellen und es mit der Gruppe via Link oder QR-Code (z.B. mittels QRCode-Monkey) teilen.

Die restlichen Schüler:innen der Klasse schlüpfen in die Rolle der Fragesteller:innen. Sie stellen Fragen, die die Lehrperson an die Gruppe weiterleiten wird.

Rolle der Lehrperson: Die Lehrperson leitet die Fragen/Aufgaben, die die Klasse stellen möchte, via Chat oder Pad an die Gruppe weiter. Zudem gibt sie die Frage/Aufgabe in einen Chatbot ein und bereitet die Antworten von dem Chatbot als auch von der Schüler:innen-Gruppe anonymisiert für die Klasse auf. Diese Rolle kann nach kurzer Erläuterung durch die Lehrperson auch von Schüler:innen übernommen werden.


Anforderungen an die Fragen/Aufgaben und Antworten:

  • Es ist wichtig, Offenheit und Ehrlichkeit in den Rollen zu betonen, um die Effektivität des Tests zu gewährleisten. Die Schüler:innen-Gruppe soll die Antwort in eigenen Worten formulieren und das Internet nicht als Recherche nutzen, weil damit der Test verfälscht werden würde. 
  • Die Fragen bzw. Aufgaben sollten möglichst viele Bereiche umfassen, sodass nicht nur eine reine Wissensabfrage erfolgt, sondern Variationen aus Meinungen, Definitionen oder Reihenfolgen, z.B. “Was ist deine Meinung zum Thema Veganismus?”, “Wie würdest du Liebe definieren?" oder "Was sind die 3 Top-Sehenswürdigkeiten in Wien?"
  • Es dürfen keine Fragen gestellt werden, die sehr spezifisches Wissen abfragen. Zum Beispiel: Wie heißt der/die Klassensprecher:in unserer Klasse?  
  • Die Antworten sollten nicht mehr als 300 Zeichen enthalten, da der zeitliche Aufwand für das Verfassen einer Antwort zu lange dauern würde. Die Lehrperson sollte dazu hinter die eingegebene Frage/Aufgabe den Zusatz “Gib eine Antwort mit maximal 300 Zeichen.” einfügen. Die Schüler:innengruppe kann in Word kontrollieren, wie viele Zeichen ihre Antwort hat. 

Die ausgewählten Schüler:innen finden sich im separaten Raum ein. Die Klasse diskutiert und entscheidet, welche Fragen sie stellen wollen. Ihr Ziel ist es, anhand der Fragen herauszufinden, welche Antwort von der KI generiert wurde und welche Antwort von der Schüler:innen-Gruppe kommt.

Die Lehrperson kann, wenn eine zu spezifische Frage gestellt wird (siehe Anforderungen weiter oben), die Frage ablehnen oder überarbeiten lassen. Wenn eine Frage gefunden wurde, leitet die Lehrperson sie an die Gruppe im anderen Raum weiter und gibt sie zudem in ein Chatbot oder KI-System ein.

Die Gruppe hat nun ca. 5 Minuten Zeit (optional auch etwas länger), um eine Antwort an die Lehrperson zurückzusenden. In der Zwischenzeit kopiert die Lehrperson - für die Klasse nicht sichtbar - die von der KI generierte Antwort in ein zweites Padlet oder ein Word-Dokument. Die restliche Klasse diskutiert währenddessen die nächsten Fragen, die sie an die Mitschüler:innen und an die KI stellen möchten.


Tipp: Bei der Fragestellung kann durchaus auch Kreativität gefragt sein, um verschiedene Aspekte der KI-Fähigkeiten zu prüfen. Mögliche Varianten, die den Schüler:innen im Klassenraum vorgeschlagen werden können, sind unter anderem:

  • Stellt eine Frage, die absichtlich eine falsche Antwort fordert, z.B. “Wie heißt die Hauptstadt von Finnland? Gib eine falsche Antwort.”
  • Es soll eine Antwort für eine spezifische Zielgruppe erstellt werden, z.B. “Was ist die Schwerkraft? Gib eine Antwort für ein fünfjähriges Kind.”
  • Es können Fragen gestellt werden, die sehr aktuelles Wissen abfragen. Hier kann unter Umständen eine KI enttarnt werden, die mit einem älteren Datensatz trainiert wurde. 
  • Die Antwort könnte im Stil verschiedener Personengruppen oder berühmter Persönlichkeiten erfolgen, z.B. “Ist Wien eine schöne Stadt? Antworte im Stil einer Fußballtrainerin auf einer Pressekonferenz.” oder “Was ist deine Lieblingsspeise?" Antworte im Stil des Rappers Eminem.”
  • Die Antwort soll spezifische Anforderungen erfüllen, z.B: “Schreibe einen Reim über eine Banane.” oder “Schreibe drei Sätze über eine Maus und ihren Luftballon. Die Antwort soll exakt vier Rechtschreibfehler enthalten.”

Sobald die erste Antwort der Schüler:innengruppe an die Lehrperson geschickt wurde, werden sowohl die Frage als auch beide Antworten (Antwort Gesprächspartner:in 1 und Antwort Gesprächspartner:in 2) für die Klasse an den Beamer oder das digitale Whiteboard in einer Tabelle, Word-Datei oder einem Pad projiziert. Während die Schüler:innen-Gruppe die nächsten Fragen/Aufgaben von der Lehrperson übermittelt bekommen und diese beantworten, diskutiert die Klasse, welche von den projizierten Antworten von der KI und welche von den Mitschüler:innen stammt und geben ihren Tipp ab (entweder gibt die Klasse als ganzes nur einen Tipp ab, oder jede:r Schüler:in entscheidet für sich selbst).

Um eine Vergleichbarkeit zwischen den Antworten von Mensch und Maschine herzustellen, empfiehlt sich eine Mindestanzahl von fünf Fragen/Aufgaben. Je nach verfügbarem Zeitrahmen können natürlich auch mehrere Fragen oder Aufgaben an die KI und die Schüler:innengruppe gestellt werden.

Nachdem die letzte Frage/Aufgabe von der Schüler:innen-Gruppe beantwortet wurde, bleibt diese noch im separaten Raum, um keinen Einfluss auf die Entscheidung der Klasse zu nehmen. Erst nachdem die Klasse ihren letzten Tipp abgegeben hat, wird die Schüler:innen-Gruppe zurück in den Klassenraum für die finale Auflösung geholt. Konnte die Klasse bei allen Antworten herausfinden, welche von der KI generiert und welche von den Mitschüler:innen kamen?


Tipp: Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die Gruppe der Schüler:innen nun zu wechseln, sodass Schüler:innen jeweils Fragen/Aufgaben erstellt sowie auch beantwortet haben. Ein spannender Lerneffekt ist hierbei, dass das Wissen, wie die KI oder der Chatbot vermeintlich antwortet, mit in die Antworten der nächsten Schüler:innengruppe mit einfließt.


Reflexion

Für die Reflexion berichten die Schüler:innen aus ihren persönlichen Erfahrungen in unterschiedlichen Rollen, beschreiben den Prozess der Entscheidungsfindung und diskutieren gesellschaftliche und ethische Aspekte von KI-Systemen und solchen Testverfahren wie dem Turing-Test. 

Die Reflexion lässt sich in verschiedenen Teilaspekte gliedern.

Persönliche Erfahrung:

  • Wie erging es euch in der Rolle als Fragesteller:innen oder Antwortgeber:innen? Welche Herausforderungen hattet ihr in euren jeweiligen Rollen?
  • Fragen an Klasse: Gab es Antworten, in denen es schwer war, zwischen Mensch und künstlicher Intelligenz zu unterscheiden? Was hat euch bei eurer Entscheidung geholfen? Gab es Antworten, die offensichtlich von der KI oder von den Schüler:innen kommen mussten?
  • Fragen an die Gruppe: Was hat euch bei eurer Antwortgebung beeinflusst? Wie habt ihr euch als Gruppe auf eine Antwort festlegen können?

Der Turing-Tests und seine Grenzen:

  • Welche Erkenntnisse liefert uns dieser abgewandelte Turing-Test nun? 
  • Inwiefern spiegelt der Turing-Test die tatsächlichen Fähigkeiten von Künstlicher Intelligenz wider?
  • Welche Schwächen oder Einschränkungen unseres abgewandelten Turing-Tests sind euch aufgefallen?

Ethik und Verantwortung:

  • Ist es wichtig, dass Menschen wissen, ob sie mit einer KI oder einem Menschen interagieren?
  • Welche Verantwortung tragen die Entwickler:innen von KI-Systemen, um sicherzustellen, dass ihre Technologien ethisch und transparent eingesetzt werden? Welche Gesetze wären hier sinnvoll?

Gesellschaftliche Auswirkungen:

  • Wie beeinflusst die Verbreitung von KI-Technologien unser tägliches Leben und unsere zwischenmenschlichen Beziehungen?
  • Welche Chancen und Risiken ergeben sich in Bezug auf die zunehmende Integration von KI in unserer Gesellschaft?

Zum Schluss kann die Lehrperson die Klasse darüber aufklären, dass bis dato noch kein Computerprogramm den originalen Turing-Test bestanden hat. 2014 wurde kurz berichtet, dass die russische KI “Eugene Goostman” den Test bestanden habe, die Versuchsanordnung wird allerdings stark in Zweifel gezogen.

Diese Praxis-Idee soll den Schüler:innen ein grundlegendes Verständnis für Künstliche Intelligenz vermitteln und speziell den Turing-Test als Konzept einführen. Durch die Durchführung des Tests werden die Schüler:innen angeregt, über die Definition von “menschlichem Bewusstsein und (künstlicher) Intelligenz” sowie ethischen Fragen im Kontext von KI nachzudenken. Die Praxis-Idee zielt darauf ab, kritisches Denken und Reflexion zu fördern, um ein fundiertes Verständnis für die Rolle von KI in unserer Gesellschaft zu schaffen.


Weiterführende Ideen

Die Praxis-Idee kann selbstverständlich beliebig oft mit anderen Gruppenkonstellationen, anderen Chatbots oder verschiedenen Variationen wiederholt werden, z.B.: 

  • Die Klasse interagiert mit beiden Gesprächspartnern (KI oder Schüler:innengruppe) basierend auf den erhaltenen Antworten. Das bedeutet, dass an beide Gesprächspartner unterschiedliche Fragen gestellt werden können. 
  • Eine weitere Variation besteht darin, dass es zwei Schüler:innengruppen gibt, um es der verbleibenden Klasse schwieriger zu machen, zu unterscheiden, welche Antworten von der KI kommen. Die zweite Gruppe von Schüler:innen muss dafür in einem weiteren separaten Raum mit Laptop oder Tablet untergebracht werden.
  • Nachdem die Klasse ein Thema in einem Unterrichtsfach abgeschlossen hat, könnte durch diesen Versuchsaufbau das neu erworbene Fachwissen als Quiz gegen eine KI abgefragt werden. Wer besitzt das bessere Fachwissen? 
  • Eine weitere Variation, die mit dem eigentlichen Versuchsaufbau nichts mehr zu tun hat, wäre, dass Fragen an verschiedene KI-Systeme und Chatbots gleichzeitig gestellt werden, und die Schüler:innen bewerten, welches System oder welcher Bot die besten Antworten gegeben hat.

Sachinformationen