Themensammlung Spielerischer Medieneinsatz

Quellen, Links und mehr zu spielerischem Medieneinsatz

In dieser Themensammlung finden Sie theoretische Informationen und praktische Ideen wie spielerische Elemente zu unterschiedlichen Aspekten im Unterricht eingesetzt werden können.

Theoretische Überlegungen

„Spiel ist eine freiwillige Handlung oder Beschäftigung, die innerhalb gewisser festgesetzter Grenzen von Zeit und Raum nach freiwillig angenommen, aber nach unbedingt bindenden Regeln verrichtet wird, ihr Ziel in sich selber hat und begleitet wird von einem Gefühl der Spannung und Freude und einem Bewußtsein des ‚Andersseins‘ als das gewöhnliche Leben.“

Huizinga, Johann in Homo Ludens, 1938

 

Zu spielen, ist demnach eine Handlung die ebenso abgegrenzt werden kann. Demnach ist es schwer bis hin zu unmöglich unter den vorherrschenden Rahmenbedingungen im Unterricht zu spielen.

Möglich ist es, die unterschiedlichen Elemente des Spiels für die unterschiedlichsten Einsatzszenarien im Unterricht nutzbar zu machen. Dafür gibt es die unterschiedlichsten Bezeichnungen: Lernspiele - Game Based Learning - Serious Games - Play Based Learning - Gameful Learning - Game-Like Learning - Quest Based Learning - Gamification

Den Versuch einer Einordnung finden Sie bei digital | spielend - lernen.

Für uns erscheint nicht die theoretische Abgrenzung und die Benennung essentiell, sondern die Möglichkeiten, die spielerische Elemente für den Unterricht bieten. Spielen bringt Menschen in einen ganz besonderen Zustand der Vertiefung und Konzentration. Die Abgegrenztheit und das Regelwerk wirken wie ein Sog und bringen Menschen dazu sich voll und ganz auf das Spielziel zu fokussieren. Diese Emotionen sind für langfristige Lernerfahrungen äußerst hilfreich und können auch in Teilen genutzt werden. Darauf wollen wir uns konzentrieren: Mit möglichst kleinen Interventionen das Beste für Schülerinnen und Schüler, aber auch für die Lehrpersonen heraus zu holen.

Quellen

Quellen

Huizinga, Johann: Homo Ludens - Vom Ursprung der Kultur im Spiel, Rowohlt, Hamburg, 22. Auflage, 2011

(Die Originalauflage erschien 1938 unter dem Titel Homo Ludens)

Kurzinformationen zu Homo Ludens

Zur Psychologie von Spiel; Rolf Oertler

Gee, James Paul: What Video Games have to teach us about learning and literacy, Palgrave MacMillian, New York, 2007

Breuer, Johannes: Spielend lernen? Eine Bestandsaufnahme zum (Digital) Game-Based Learning, Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen, 2010

Le, Son; Weber, Peter; Ebner, Martin: Game-Based Learning. Spielend Lernen?
In: Ebner, Martin [Hrsg.]; Schön, Sandra [Hrsg.]: L3T. Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien. 2. Auflage. 2013

Kommerzielle Spiele im Unterricht nutzen?

Im regulären Unterricht kommen meist nur kurze Spielsequenzen infrage. In größeren Projekten können schon einmal umfangreichere Spiele zum Einsatz kommen. In der Studie "Gaming the Schools. Didaktische Szenarien des Digital Game Based Learning" haben Konstantin Mitgutsch und Michael Wagner 2009 das Potential kommerzieller Spiele für den Unterricht untersucht. Das Ergebnis wurde in 12 Punkten zusammengefasst, die auch heute noch Gültigkeit haben. Spiele wirken auf die meisten Schülerinnen und Schüler hoch motivierend, einige benötigen allerdings Unterstützung bei der Bedienung. Die Lehrpersonen müssen daher gut mit den technischen und didaktischen Möglichkeiten des Spiels vertraut sein. Spiele bieten Erfahrungsräume und ermöglichen kreatives, selbstbestimmtes Lernen. Der erforderliche Zeitaufwand der meisten größeren Spiele wurde von den meisten Lehrkräften und SchülerInnen als zu hoch eingeschätzt.

Wohl das bekannteste im Unterricht genutzte Spiel ist Minecraft, auch kommerziell sehr erfolgreich. Dieses Multiplayer-Spiel kann in vielen Kontexten, von Kunst über Physik bis zur Programmierung, genutzt werden. Eine kostenlose Open Source Alternative ist Minetest, das mit unzähligen Mods erweitert werden kann.

Viele Anregungen zum Einsatz von größeren und kleineren Spielen sind im Booklet Vademecum Game-Based Learning im Unterricht sowie auf der Webseite des GBL-Toolkit zu finden.

Überlegungen und Ideen zu den einzelnen Bereichen

Auflockern

Zum Auflockern eignen sich vor allem spielerische Elemente, die auch den Körper in Bewegung bringen.
Wenn so eine Intervention die Schülerinnen und Schüler zum richtigen Zeitpunkt abholt, können lernhinderliche Emotionen gelöst werden. Es eignen sich vor allem einfache, bekannte, kurze Spiele die nicht mehr lang erklärt werden müssen, die auch nicht unbedingt etwas mit dem nachfolgenden Stoff zu tun haben müssen.

Gerade im Unterricht ist dieses Moment der spielerischen Intervention ein meiner Meinung nach sehr unterschätztes und oft vergessenes. Bei Workshops und Veranstaltungen in der Arbeitswelt dagegen werden solche spielerischen Elemente sehr gerne genutzt - auch diese können sehr gut angepasst werden. Eine Sammlung mit solchen Spielen findet sich bei Wilde Workshopspiele.

Hier noch zwei weitere Beispiele:

Turtle Ninja

Material: kleine, flache Figuren in SpielerInnen - Anzahl; am besten Kunststoff Schildkröten. Sollten diese nicht verfügbar sein, einfach den Namen des Spiels anpassen.

Alle MitspielerInnen stellen sich im Kreis auf und legen die Figur auf den Handrücken einer Hand, die andere wird hinter den Rücken gelegt und soll dort auch bleiben. Auf das Kommando "Turtle Ninja!" wird versucht die eigene Figur auf dem Handrücken zu halten und die der anderen auf den Boden zu bekommen. Wer am Schluß noch die Figur auf dem Handrücken hat, ist Turtle Ninja.

Gespielt mit playvienna

Schere, Stein, Papier (in Teams)

Zwei Teams, jedes bespricht untereinander, welches Symbol gezeigt wird. Danach wird sich gegenüber aufgestellt und das beschlossene Symbol gezeigt. Die SpielerInnen mit dem schwächeren Symbol müssen sich hinter eine zuvor ausgemachte Markierung retten. Das Team mit dem stärkeren Symbol versucht so viele SpielerInnen wie möglich vor der rettenden Linie zu erwischen.

Neugierig machen

Zur Einführung in ein neues Thema können spielerische Elemente dienen, um die Neugier von Schülerinnen und Schülern zu wecken. Es könnte ein einfaches Rätsel oder auch eine ganze Rätselrallye sein. Wenn Sie das Ganze mit neuen Medien kombinieren wollen, kann Actionbound hier eventuell weiterhelfen oder ein angepasstes Activity mit Wörtern die zum Thema passen und hinleiten.

Online kann ein thematisch passendes Mini Game gesucht und gefunden werden für physikalische  Phänomene zum Beispiel Simulationen oder ein Spiel wie powdertoy oder die Educational Games der Nobel Foundation. Auch die University of Colorado bietet viele interaktive naturwissenschaftliche Simulationen. Bei NetLogo finden Sie Modelle, an denen SchülerInnen eigene Versuchsreihen durchführen können. Die App phyphox ermöglicht physikalische Experimente mit dem Smartphone.

Hier können auch vorhandene Lernroboter zum Einsatz kommen. Mit Bee-Bots und Bildkärtchen können die Schülerinnen und Schüler versuchen zu erraten welche Bilder der Lernroboter als nächstes ansteuern wird und so dem nächsten Thema auf die Spur kommen. Dashs haben die Möglichkeit abgespeicherte Sounds wieder zu geben und können dabei so programmiert werden, dass immer auf Knopfdruck der nächste Hinweis kommt.

Motivation

Um die ersten Informationen zu verarbeiten, kann es motivierend wirken, wenn das Gelernte gleich zur Umsetzung gelangt oder Kontroversen angesprochen und ausdiskutiert werden können.

Dafür eignen sich besonders gut Planspiele - das sind Spiele, bei denen die MitspielerInnen Rollen zugewiesen bekommen und sich anhand Geschichten und Anleitungen um sich in eine Situation hineinversetzen in der sie aus ihrer Rolle heraus agieren. Dabei ist zu beachten, den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit zu geben, in ihre Rollen zu kommen und auch wieder hinaus. Eine Sammlung an Planspielen finden Sie beim Zentrum für politische Bildung Deutschlands (Achtung: auch kostenpflichtige).

Das kann auch durch ein einfaches 1, 2 oder 3 passieren - je nachdem wie aufwendig es gestaltet sein soll, auch mit Präsentation am Bildschirm oder nur mit mit Klebeband fixierten Feldern. Das ist auch mit vorhandenen Lernrobotern möglich. Der Spaßfaktor wäre vermutlich am höchsten mit den Dash-Robotern und manueller Steuerung. Auch Stadt, Land, Fluß mit veränderten Begriffen kann hier eingesetzt werden (geht auch online für bis zu 20 SpielerInnen).

Am Whiteboard kann gemeinsam GeoGuessr gespielt werden und als kleine Übungsaufgabe könnten Kinder online Anwendung wie GraphSketching, ein Diplomarbeitsprojekt von Markus Rametstorfer, ausprobieren. Mit kleineren Gruppen kann man auch GeoCaching ausprobieren. Diese digitale Schatzsuche führt oft an interessante Orte.

Auch  mit Lernrobotern lassen sich die unterschiedlichsten Inhalte verknüpfen. Mit Bee-Bots können zum Beispiel Längenmaße geübt und zusammengesetzte Nomen gefunden werden.

Denkanstöße

Um von Beginn an tief in ein Thema einzutauchen, eignen sich spielerische Interventionen, die ganz neue Hintergründe aufzeigen oder die vorhandenem Wissen widersprechen. Dafür eignen sich online Serious Games sehr gut. Diese könnten auf Interaktiven Whiteboards oder über Beamer gezeigt werden - dadurch kann auch besser auf die Emotionen der SchülerInnen geachtet werden, da manche Serious Games sehr intensiv sein können. Solch ein intensives Beispiel ist das Spiel Elude von Doris Rush.

Weitere Beispiele zu den Themen Fake News, Mobbing und Flucht finden Sie in dieser Sammlung.

Lernfeststellung

Es ist wichtig, deutlich für alle festzuhalten,  wann etwas in die Benotung einfließt - vor allem wenn auch Lernstandsfestellungen spielerisch durchgeführt werden sollen. Online kann das über Google Surveys passieren oder auch über selbstgemachte Quizzes auf Scratch.

Eine Sammlung von online Test Tools finden Sie in diesem Artikel.

Im Unterrichtssetting kann ein Wettkampfszenario mit Buzzer (Klingel oder ein kleines Programm über Pocketcode) und Quizshow initiiert werden - allerdings kann dies auch zu sehr viel Druck und Wettkampf in der Klassenstruktur führen, daher sollten solche Aktionen gut begleitet und überdacht werden.

Mit relativ wenig technischem Material lässt sich Mal-den-Code umsetzen. Anregungen dafür finden Sie auch hier bei uns am LehrerInnenweb. Mit QR-Codes kann recht einfach eine Schnitzeljagd gestaltet werden.

Unterrichtsthemen können in Form der beliebten "Escape Games" oder "Breakouts" verpackt werden. Diese mehrstufigen Rätsel werden in Gruppenarbeit gelöst, eine kleine Belohnung wartet am Ende. Breakouts funktionieren auch digital.

Game Design für den Lernkontext

Spiele haben sehr viele Elemente - für jedes dieser Elemente gibt es Spezialistinnen und Spezialisten. Dementsprechend ist es für eine Einzelperson in einem anderen Berufsfeld sehr schwierig in solch einer Disziplin zu brillieren.

Es gibt allerdings 4 Basis-Elemente, die abgearbeitet werden können:

  1. Spielmechaniken
    Was ist das Spielziel? Welche Regeln werden festgelegt? Welche Aktionen sind möglich?
  2. Geschichte
    Wie soll der Ablauf des Spiels sein? Ist er vorherbestimmt oder kann er zufällig verändert werden? Gibt es überhaupt eine Geschichte oder ist es ein abstraktes Spiel?
  3. Ästhetik
    Dazu gehört wie das Spiel aussieht, wie es klingt, aber auch ob Gerüche oder der Tastsinn angesprochen werden. Soll es eher Kinder ansprechen oder eher Jugendliche?
  4. Technologie
    Ist es ein Spiel auf Papier, im Computer oder vielleicht ohne Material? Wichtig ist zu beachten welche Ressourcen ich für das Spiel benötige.

Zu diesen vier Elementen kommt das wichtigste Prinzip für das Game Design eines Lernspieles:

Das Lernziel muss immer das Spielziel sein.

Game Design im Unterricht

Wenn Sie als Pädagogin gern ein Spiel für Ihre Schülerinnen und Schüler gestalten möchten, bieten sich kostenlose online Tools wie Twine und Scratch an. Beide Tools können auch von SchülerInnen selbst verwendet werden, Scratch ab der Volksschule, Twine ab der Sek I.

Ein Curriculum zur Verwendung von Twine im Unterricht (englischsprachig) bietet experience play. Bei Stories in der Schule gibt es sehr viel gut aufbereitetes Material, nach Schulstufen gestaffelt. Zum Kennenlernen eignet sich der Vortrag mit Christoph Kaindel.

Der Vorteil von Scratch ist es, dass in weiteren Schritten die Projekte auch weiterbearbeitet und angepasst werden können. Um in die Materie hinein schnuppern zu können, können Sie auch bereits existierende Projekte verwenden und verändern.

Am besten ist e,s mit einfachen Mitteln das Spiel gleich in einem Anfangsstadium zu testen und immer wieder zu probieren, ob es so funktioniert wie es funktionieren soll. Game-DesignerInnen entwickeln meist zu diesem Zweck einen "Paper Prototype", einen Entwurf aus Papier mit Karten und Spielfiguren. Vielleicht stellt sich dann heraus, dass man lieber gleich ein Brettspiel entwickeln möchte.

Es muss auch kein komplexes Videospiel sein. Schon mit den einfachen Aufnahmemitteln des Smartphones können zB Hörrätsel entwickelt werden.

Zum Üben von Game Design, auch mit Schülerinnen und Schülern, eignet sich ein Spiel zum Game Design mit dem Titel A series of interesting choices. Dieses Spiel hat ein Student von Jonas Linderoth, Professor für Bildungswissenschaften mit Schwerpunkt auf Digital Games an der Universität Göteburg, Schweden entwickelt. Es wird trotz der relativ hohen Kosten aufgrund des eigenen Einsatzes empfohlen. Es beinhaltet ein Kartendeck mit den unterschiedlichsten Spielmechaniken und Spielezubehör und kann mit eigenen Inhalten kombiniert werden.

Überlegungen zur Medienkompetenz

Wie alle Medien die im Unterricht verwendet werden, müssen auch spielerische Elemente kritisch betrachtet werden.

Folgende Fragen sollten sie sich stellen, bevor Sie ein spielerisches Element oder ein Spiel verwenden:

  • Woher kommt das Spiel?
    Zu bedenken gilt es, ob das Spiel zum Beispiel von einem Unternehmen, das eine versteckte Agenda transportieren möchte, zur Verfügung gestellt wird. Werbezwecke zum Beispiel. Außerdem ist es wichtig darauf zu achten, ob rassistische oder sexistische Motive bedient werden. Vor allem aber nicht nur bei bildlichen Darstellungen.
    Für online Spiele bzw spielerische Interventionen ist es zudem wichtig darauf zu achten, was sonst noch auf den Webseiten zu finden ist. Beispiele dafür sind die Serious Games auf La Molleindustria, die viel Diskussionsanreize bieten, aber von denen die meisten Vorschaubilder nicht jugendfrei gestaltet sind. Auch das 3d Modeling und der Schmetterling auf von inkeinet (einem japanischen Programmierer) sind schöne kurze Interventionen. Allerdings findet sich gleich darunter eine Applikation, die aus jeder Strichführung einen Penis gestaltet. Gesunde Skepsis und Vorsicht sind also angebracht.
  • Wie funktioniert das Spiel?
    Kann das Wissen über das Spiel gut und im richtigen Zeitraum transportiert werden und sind die Materialien vorhanden?
  • Wie kann das Spiel gespielt werden?
    Im Sinne der Mediennutzung muss abgewogen werden, ob das Spiel für die Gruppe an SpielerInnen geeignet ist und ob alle Fähigkeiten zur Nutzung als vorhanden vorausgesetzt werden können.
  • Hat das Spiel einen weiteren Nutzen?
    Die spielerische Intervention macht dann am meisten Sinn, wenn es für den Unterricht einen größeren Nutzen gibt. Das können zum Beispiel die bereits beschriebenen Aspekte sein.

Linktipps

Padlet mit Tipps für Volksschulkinder

Sammlung von Serious Games auf Games for Change (können teilweise kostenpflichtig sein)

Wie Spiele die Welt verändern können - ein englischsprachiger TED Talk der überzeugten Game Designerin Jane Mc Gonigal

GBL-Toolkit - Diese umfangreiche Materialiensammlung ist aus einem Erasmus+ Projekt hervorgegangen