Loulu
Sek. 2
Pädagogische Qualitätskriterien
“Loulu” ist ein simpel aufgebautes, aber effektives Serious Game, in welchem man sich gezielt mit rechtsradikalen Inhalten auseinandersetzen kann. Jedoch ist zu beachten, dass sich die App sehr lebensnah mit der Thematik auseinandersetzt und daher auch Schimpfwörter und gehässige sprachliche Ausdrücke unzensiert darstellt. Daher ist stark darauf zu achten, dass die Schüler:innen reif genug sind, diesen Content kritisch zu hinterfragen und nicht von feindlicher Sprache emotional überwältigt werden.
In der App spielt man sich selbst. Als eigener Charakter hilft man seiner Freundin Frida, welche als feministische Influencerin unter den Hasskommentaren in ihren Videos leidet. Als Spieler/:in versucht man daher dem rechtsradikalen Netzwerk näher zu kommen, um letztendlich Einblick in das sogenannte “Medienstrategiehandbuch” zu erhalten und die dort aufgeschriebenen Regeln der rechten Community zu entlarven.
Im Laufe des Spiels werden die Nutzer:innen verschiedenen rechtsradikalen Szenarien innerhalb der digitalen Welt ausgesetzt. Dadurch eignen sich Anwender:innen Wissen an, zum Beispiel über das Aussehen rechter Codes oder die Verbreitung von Hass im Netz. Ein medienpädagogisch wichtiges Thema ist außerdem, dass Anwender:innen anhand von aktivem Tun erlernen, was eine Filterblase genau ist. Hinweis: Eine Filterblase funktioniert so, dass Liken, Abonnieren und Kommentieren von ähnlichen Videos, Fotos und Postings dazu führt, dass man immer mehr von diesen Inhalten angezeigt bekommt. In diesem Spiel ist es eines der Ziele, hauptsächlich rechts orientierten Content auf den Sozialen Medien angezeigt zu erhalten, um Informationen über das Medienstrategienhandbuch zu bekommen und somit die Strategien der rechten Szene aufzudecken. Außerdem wird in dem Spiel verständlich dargestellt, wie rechte Inhalte auch vermeintlich harmlos anfangen können und auf welche versteckten Hinweise man achten sollte.
Da die Thematik in “Loulu” sehr anspruchsvoll ist und unzensierte Sprache, verbale Drohungen und abwertende Haltungen darstellt, benötigt die Verwendung der App im Unterricht sehr starke pädagogische Unterstützung. Die Ernsthaftigkeit des Spiels hat auch zur Folge, dass dieses nicht für jeden Menschen gleichwertig geeignet ist, da die Inhalte ganz unterschiedlich verarbeitet und aufgenommen werden können. Hier liegt es an der Lehrperson zu entscheiden, ob der Einsatz der App überhaupt sinnvoll ist. Auch die App selbst klärt über eine mögliche Überforderung auf: Vor Beginn wird auf potenziell triggernde Inhalte hingewiesen, welche genau erklärt werden. Zusätzlich sind Hintergrundinformationen zu den jeweiligen Themen, sowie Links für Beratungsstellen, vorhanden. Da aber kein pädagogisches Begleitmaterial verfügbar ist, benötigt es zusätzlich eine überlegte Stundenvorbereitung der Lehrperson.
Aktivität & Kreativität
Das Lernspiel beinhaltet verschiedene Aufgaben, welche durch die Interaktion mit den simulierten Sozialen Netzwerken erledigt werden können. Einerseits kann man auf Chatnachrichten durch zu wählende Antwortoptionen reagieren und andererseits kann man in rechte Netzwerke anonym hineinschnuppern, um deren Strategien näher kennenzulernen und aufzubrechen. Aufgrund des realitätsgetreuen Designs der Plattformen, wird ein lebensnaher Bezug hergestellt und die Wichtigkeit des Themas unterstrichen. Dieser realistische Ansatz kann gleichzeitig auch belastend für Schüler:innen wirken, weshalb es sein kann, dass “Loulu” öfter unterbrochen werden muss, um den Input zu verarbeiten.
Sozialform, Reflexion und weiterführende Themen
Aufgrund des komplexen und heiklen Themas eignet sich das Lernspiel vor allem für Partner:innen- oder Gruppenarbeit. Außerdem ist es sehr wichtig, den gelernten Inhalt mit den Schüler:innen zu reflektieren und sie im Spielprozess zu begleiten.
Altersgerechte Darstellung
Das Lernspiel ist ab 17 Jahren für die Nutzung empfohlen und daher aus unserer Sicht altersgerecht gestaltet. Jedoch beinhaltet “Loulu” aufwühlende Sprache und behandelt eine anspruchsvolle Thematik, für welche die Nutzer:innen einen hohen Reflexionsprozess benötigen. Daher sollte das Spiel erst ab der späteren Sekundarstufe 2 verwendet werden.
Einsatzmöglichkeiten im Unterricht
Grundsätzlich lässt sich “Loulu” aufgrund des klaren Aufbaus und der Wichtigkeit des Themas gut in den Unterricht integrieren. Jedoch ist dabei auf einiges zu achten. Das Spiel kann aufgrund der detailreichen Aufgabenstellungen und den zugehörigen Überlegungen im Unterricht recht lange dauern. Deshalb sollten bei Inanspruchnahme der vollen Spiellänge mindestens zwei Unterrichtsstunden eingeplant werden. Da es aber nötig ist, diese komplexen Inhalten (z.B. rechte Codes, Hass im Netz) näher im Unterricht zu behandeln, eignet sich die Spieldauer gut als Projektarbeit. Außerdem muss der Spielprozess unbedingt durch Pädagog:innen begleitet werden.
Es ist daher wichtig, vor dem Start des Spieles einen Einstieg in das Thema zu bieten, um die Schüler:innen langsam und sanft an die Inhalte heranzuführen. Zusätzlich sollten während des Spielprozesses immer wieder Pausen eingelegt werden, um Sequenzen innerhalb der App genau zu hinterfragen und kritisch zu reflektieren. So eine Reflexion könnte zum Beispiel folgend aussehen: Nachdem die Schüler:innen in die rechte Filterblase gekommen sind, könnte vorerst gestoppt und genau besprochen werden: Was ist hier passiert? Wie seid ihr in die Filterblase gekommen? Wie funktioniert so etwas? Was ist problematisch daran? Pädagog:innen sollten hierbei auch auf die Fragen eingehen, die von den Schüler:innen direkt gestellt werden, um sie dort abzuholen, wo sie gerade stehen. Durch Prozesse, wie diesen, ist es möglich, den Inhalt mit Schüler:innen gemeinsam zu reflektieren.
Die Unterteilung des Spiels in kleinere Einheiten hat den Vorteil, dass die Themen nicht alle auf einmal auf die Lernenden einwirken und von ihnen langsam und kritisch verarbeitet werden können. Es ist natürlich auch eine Möglichkeit, unterstützende Arbeitsmaterialien zu erstellen. Beispielsweise können Schüler:innen anhand einer Checkliste rechte Codes herausfiltern und danach in einer gemeinsamen Diskussion reflektieren. Außerdem könnten die Lernenden zu den verschiedenen Themen recherchieren und anschließend ihrer Klasse von den Ergebnissen berichten. Auf diese Weise können die einzelnen Gruppen als Expert:innenfunktionen agieren und in den Austausch mit ihren Kolleg:innen gehen.
“Loulu” sollte in Paar- oder Gruppenarbeit gespielt und bearbeitet werden, da auf diese Weise bereits während des Spielverlaufs gemeinsames Reflektieren stattfindet und Problemlösestrategien entwickelt werden können.
Einsatzmöglichkeiten zu Hause
Das Lernspiel eignet sich nur bedingt für den Einsatz zuhause. Da die App sehr ernsthafte Inhalte vermittelt, sollte “Loulu” nicht ohne eine Begleitperson gespielt werden. Es wäre aber möglich, nur den ersten Teil des Spiels als Hausaufgabe zu geben. Eine brauchbare Eingrenzung wäre es, die App vom Start bis zum Ende jener Aufgabe zu spielen, in welcher man in die rechte Filterblase gelangt. Danach sollten die Schüler:innen stoppen und sich über dieses Phänomen innerhalb von Sozialen Medien Gedanken machen. Pädagog:innen können hier Leitfragen vorgeben. Wichtig ist es, den aufgenommenen Inhalt in der nächsten Stunde zu besprechen und den zweiten Teil der App, wenn gewünscht, dann gemeinsam weiterzuspielen.
Technische Kriterien
Datenschutz
Das Spiel benötigt keinen Zugriff auf persönliche Daten. Auch private Angaben, wie die E-mail-Adresse, sind nicht erforderlich. Es ist lediglich ein Name einzugeben, welcher aber frei erfunden sein kann.
Usability & Sprachen
“Loulu” ist mit unaufgeregten Farben und übersichtlichem Design sehr ansprechend gestaltet. Der Inhalt der App ist verschiedenen Online-Plattformen, wie Tiktok oder dem Messenger-Dienst Telegram, nachempfunden und hat somit einen großen Wiedererkennungswert für Nutzer:innen. Die Interaktion erfolgt auf zwei Ebenen: Einerseits durch fiktive Chatnachrichten, auf welche mit verschiedenen Antwortmöglichkeiten reagiert werden kann. Andererseits durch das Ansehen und Liken (oder Löschen) von unterschiedlichen Videos oder Kommentaren. Das Spiel ist nur auf Deutsch erhältlich und verfügt über eine einfache, aber teilweise auch aggressive Sprache, um Szenarien von Hass im Netz realistisch darzustellen.
Fazit
“Loulu” ist ein äußerst nützliches Lernspiel, welches durch die intensive und praktische Auseinandersetzung über Hass im Netz und rechtsradikale Inhalte aufklärt. Es ist aber zu beachten, dass die Lehrperson den Einsatz des Spiels im Unterricht stark begleiten muss und die Durchführung in der Klasse ausreichend Vorbereitung benötigt.
Getestet September 2022