Neuer Film bei "Kino macht Schule": Favoriten

Ein Dokumentarfilm über den Schulalltag einer engagierten Lehrerin und ihrer Schüler:innen im zehnten Wiener Gemeindebezirk.

Testberichte
Bild aus dem Film Favoriten: Eine Lehrerin steht in einem Klassenraum vor einer digitalen Tafel, gestikuliert mit der Hand und spricht dabei. Oben links ist eine kleine Filmklappe mit dem Filmladen- und dem Wiener Bildungsserver-Logo darin zu sehen.
Der Dokumentarfilm "Favoriten" zeigt den Schulalltag einer Volksschulklasse im 10. Wiener Gemeindebezirk über drei Jahre hinweg.

Gut zu wissen

AUT / 2024 / 118 min
Fassungen: Deutsch
FSK: uneingeschränkt
pädagogische Altersempfehlung: ab 14 Jahren
Anknüpfungspunkte für Schulfächer: Ethik, Deutsch, Geschichte, Didaktik, Bildnerische Erziehung

WiBS-Fazit:

"Favoriten" ist ein unkommentierter Dokumentarfilm, der den Bildungsalltag an einer Volksschule im 10. Bezirk von Wien zeigt. Die lebensnahen Geschichten beleuchten Themen wie die Segregation im österreichischen Schulsystem, Ressourcenknappheit und die Herausforderungen und Chancen der Mehrsprachigkeit. Der Film bietet sowohl spannende als auch berührende Eindrücke in das Schulleben, die Gefühlswelten der einzelnen Kinder und den repräsentativen Alltag der Klassenlehrerin Ilka. Die fehlenden verbalen Kommentare im Film verstärken die Intensität der Bilder und regen durch die neutrale Darstellung noch stärker zum Nachdenken an.

Obwohl der Film ab 8 Jahren empfohlen wird, richtet sich “Favoriten” für eine tiefgehende Analyse insbesondere an Lehrkräfte, Lehramtsstudierende und Schüler:innen ab der Sekundarstufe 2. Themen, wie zum Beispiel die Mehrsprachigkeit im Bildungsalltag oder Ressourcenknappheit im Schulsystem, bieten Raum für Reflexion und Diskussion. Der Film hinterfragt außerdem Stereotype über den 10. Bezirk, die oft durch mediale Berichterstattung geprägt sind. Schüler:innen könnten zum Beispiel unterschiedliche Beiträge über sogenannte “Brennpunktschulen” im 10. Bezirk recherchieren oder ihre Erfahrungen teilen, kritisch analysieren und mit den Inhalten des Films vergleichen. Für Studierende und Lehrkräfte bietet der Film zudem die Möglichkeit, das pädagogische Repertoire der Lehrkraft Ilka zu reflektieren und den Einfluss ihrer Bildungsarbeit zu beleuchten.

Obwohl die Themenvielfalt gering ausfällt, bietet das 29-seitige pädagogische Begleitmaterial eine sinnvolle didaktische Aufarbeitung des Films. Der Hauptfokus steht auf unterschiedlichen Leitfragen, welche der Diskussionsgrundlage für Vor- und Nachbesprechungen zum Film dienen können. Zusätzlich gibt es Vorschläge für Fragestellungen, auf die sich Schüler:innen während des Films konzentrieren können. Dies kann helfen den Film fokussierter und unter unterschiedlichen Gesichtspunkten anzuschauen. Die Leitfragen behandeln eine Vielfalt an Themengebieten, wie beispielsweise technische Aspekte, Inhalt, Erzählstränge oder subjektive Wahrnehmung des Films. Das Begleitmaterial bietet auch einige Hintergrundinformationen und Begriffserklärungen, welche für Schüler:innen und die Lehrkraft hilfreich sein können.

Zusammenfassung

Drei Jahre begleitete Ruth Beckermann eine Klasse von Schüler:innen im Alter von sieben bis zehn Jahren und ihre engagierte Lehrerin in einer großen Volksschule im Wiener Bezirk Favoriten, einem ethnisch vielfältigen, ehemaligen Arbeiterbezirk, der medial oft auch als „gefährlichster Bezirk von Wien” gehandelt wird. Mehr als sechzig Prozent der Wiener Volksschüler:innen benutzen Deutsch nicht als Erstsprache, und das System leidet unter akutem Lehrermangel. Obwohl diese Probleme im Film deutlich präsent sind, werden sie in “Favoriten” nicht frontal angesprochen. Stattdessen lernen wir die Kinder als Individuen kennen, wie sie in der Zeit bis zu ihrem letzten Grundschuljahr lernen, wachsen und sich entwickeln.

Im Film taucht das Publikum unmittelbar in die Realität der Schüler:innen ein, indem aus deren Augenhöhe gefilmt wird. Die Kameraarbeit von Johannes Hammel liefert Porträts sowohl im als auch außerhalb des Klassenzimmers und lässt Beid, Hafsa, Melissa, Manessa, Mohammad und ihre Klassenkamerad:innen im wahrsten Sinne des Wortes zu Co-Autor:innen des Films werden: Mit Kameras in den Händen drehen die Schüler:innen ihr eigenes, filterloses Material, das in den Film einbezogen wird. Wir erleben die täglichen Abenteuer, Kämpfe, Niederlagen und Siege der Kindheit in einem Mikrokosmos der heutigen westeuropäischen Gesellschaft. Einer Gesellschaft, die mit Identitäts- und Migrationsfragen zu kämpfen hat, welche durch Diskussionen über Religion, Geflüchtete oder Geschlechtergerechtigkeit von den Schüler:innen direkt angesprochen werden.

“Favoriten” ist eine empathische Langzeitbeobachtung, die den Blick auf das Strukturelle hinter dem Alltäglichen lenkt. Zugleich wird dabei ein erstaunlich heiteres Porträt einer Wiener Schulklasse und ihrer engagierten Lehrerin gezeichnet. 

Technische Daten:

Regie: Ruth Beckermann / Buch: Ruth Beckermann & Elisabeth Menasse / Bild: Johannes Hammel / Ton: Andreas Hamza / Montage: Dieter Pichler