Podiumsdiskussion: Programmieren ab der Volksschule
Die Digitalisierungsstrategie "Schule 4.0 - jetzt wird's digital", die das Bildungsministerium im Jänner 2017 präsentierte, sieht unter anderem "Digitale Grundbildung ab der Volksschule" vor, wobei der Schwerpunkt auf der dritten und vierten Schulstufe liegen solle. Das BFI Wien lud am vergangenen Mittwoch anlässlich dessen zu einer Podiumsdiskussion. "Programmieren ab der Volksschule - ist das sinnvoll?" Dieser Frage gingen die Expertinnen und Experten am Podium nach.
"Flipped Classroom" als Zukunftsmodell
Buchautor und Bildungskritiker Andreas Salcher sieht die Zukunft der Schule im "Flipped Classroom"-Konzept. Dabei erarbeiten sich die Schülerinnen und Schüler den Unterrichtsstoff selbstständig in kleinen Häppchen, etwa über Online-Lehrvideos, besprechen im Unterricht die Ergebnisse und üben. "Bislang ist es so, dass der Lehrer den Unterricht mehr oder weniger frontal taktet. Beim digitalen Lernen ändert sich die Funktion des Lehrers: Er wird zum Lernbegleiter oder Lerncoach", so Salcher. Hinsichtlich der Frage nach Coding ab der Volksschule ratet er zur Vorsicht: "Ich warne davor, mit dem Computer auf Gebieten zu konkurrieren, wo er uns schlagen kann. Beim digitalen Lernen geht es um einfache didaktische Tools, aber die scheitern oft am fehlenden pädagogischen Konzept."
Mehr als nur Arbeitswelt-Vorbereitung
Wer meine, dass man Lehrerinnen und Lehrer auf Lernbegleiter oder Coaches reduzieren könne, der würde sich irren, widersprach Paul Kimberger, oberster LehrerInnen-Vertreter in der GÖD. "Wir müssen Kinder auf die Welt von morgen vorbereiten, nicht nur auf die Arbeitswelt: Es geht um menschliche Werte, hier werden Pädagogen immer eine zentrale Rolle spielen", so Kimberger. "Wir kämpfen darum, dass wir Kulturtechniken vermitteln, dass wir Kreativität ermöglichen. Motorische Defizite und Entwicklungsrückstände, all das muss berücksichtigt werden."
Sorge um intensive private Medien-Nutzung
Gabriele Prokop, Direktorin der Volksschule Herbststraße in Wien-Ottakring, habe nichts gegen Programmieren - als Angebot, nicht als Unterrichtsfach. Prokops Sorge gelte jedoch den Folgen der intensiven privaten Nutzung der neuen Medien: "Bereits bei den Schuleinschreibungen stellen wir fest, dass immer mehr Kinder sensomotorische Defizite aufweisen". Prokop schilderte ein aktuelles Beispiel von einem Mädchen, das sich für den bilingualen Zweig einschreiben wollte: "Sie hat fließendes, druckreifes Englisch gesprochen, wie eine CNN-Reporterin. Später ist uns aufgefallen, dass sie einen Stift kaum halten konnte und Farben und Formen nicht erkannt hat. Sie hat uns dann erzählt, dass sie täglich stundenlang Youtube-Videos schaut." Von der Politik und der Schulbehörde wünsche sie sich Rahmenbedingungen, die auch umsetzbar sind.
Kreativität und Lösungskompetenz fördern
Catrin Meyringer, Geschäftsführerin von RoboManiac, brach die Lanze für Coding ab der Volksschule. Kinder würden durch Programmieraufgaben, die sie fächerübergreifend im Team lösen könnten, Kreativität, Lösungskompetenz und Innovation lernen, so Meyringer: "Ja, ein Roboter wird in vielen Bereichen besser sein als wir. Der Mensch muss Roboter bauen und programmieren. Das werden die künftigen Berufsfelder unserer Kinder sein".