Frischen Wind in den Unterricht bringen
Frau Bierent, Sie sind eine von insgesamt acht fachbezogenen Bildungsmanagerinnen (kurz: fBM) in Wien. Was genau tun fBMs?
Melanie Bierent: „Wir bieten Unterstützung und Begleitung für all jene LehrerInnen, die einen Blick von außen auf ihren eigenen Unterricht haben wollen. Unser Ziel ist es, gemeinsam einen nachhaltigen, qualitativen und kompetenzorientierten Unterricht zu gestalten. Dazu kommen wir direkt an die Schule und sind ca. 8 bis 10 Wochen vor Ort. In dieser Zeit arbeiten wir konkret mit den Kolleginnen und Kollegen, die ihren Unterricht einerseits gemeinsam von außen reflektiert haben wollen und die ihn andererseits eventuell auch adaptieren, weiterentwickeln oder neue Inputs oder Ideen haben wollen.“
Wie können sich LehrerInnen Ihren Einsatz vorstellen?
„Wir haben bestimmte Eckpfeiler definiert, an die wir uns halten: Wichtig ist uns die Individualität, wir arbeiten wirklich mit jedem und jeder Lehrenden ganz unterschiedlich. Außerdem nehmen wir Rücksicht auf die vorhandenen Ressourcen, sowohl die jedes bzw. jeder Einzelnen, als auch die des Standorts. Wir arbeiten auf Basis der Freiwilligkeit – das unterscheidet uns von anderen Projekten. Jede(r) Lehrende kann selbst entscheiden, ob er oder sie sich auf dieses Projekt einlassen möchte. Natürlich arbeiten wir auch vertrauensvoll. Wir sind für die Lehrenden da und die Gespräche, die wir führen, bleiben unter uns.“
An welchen Schulen sind Sie und Ihre KollegInnen tätig?
„Wir sind derzeit 8 fachbezogene Bildungsmanagerinnen und sind im Wiener Pflichtschulbereich tätig: 3 in der Primarstufe, 5 in der Sekundarstufe 1. Wir alle sind Praktikerinnen und sind früher selbst in der Klasse gestanden.“
Wie können sich LehrerInnen an fBMs wenden? Entstehen dabei Kosten?
„Um eine fBM anzufordern, genügt ein Beschluss des Lehrkörpers in der Konferenz – das bedeutet aber nicht, dass jeder unbedingt mitmachen muss. Den Konferenzbeschluss schickt die Schulleitung via E-Mail an die/den für die Schule zuständige(n) SQM und an SQM Elisabeth Repolusk. Für die Schule entstehen dabei keine Kosten.“
Sie sagten, ein Einsatz an einer Schule dauere etwa 8 bis 10 Wochen. Was genau geschieht in dieser Zeit?
„Ein paar Wochen vor dem Einsatz kommt eine fBM im Rahmen einer Konferenz vorbei, um das Projekt vorzustellen. In der ersten Woche des Einsatzes werden dann meistens viele persönliche Gespräche geführt und der Fokus liegt eher in der Hospitation. Während des Erstgesprächs werden mögliche Schwerpunkte besprochen und Beobachtungen ausgetauscht. Danach besteht unsere Tätigkeit aus zwei gleichwertigen Säulen: Einerseits die Arbeit im Unterricht gemeinsam mit der Lehrperson, andererseits Nachbesprechungen wo reflektiert wird, Ideen gesammelt werden oder gemeinsam geplant werden kann. Wir beraten auf Augenhöhe – wir bewerten nicht, sondern beobachten und geben Rückmeldung. Uns ist es wichtig, dass wir gemeinsam etwas entwickeln – wir geben nichts vor, das wollen wir nicht. Letzten Endes obliegt es den Lehrenden selbst, was sie annehmen, ausprobieren, behalten oder verwerfen.“
Können fBMs auch dabei unterstützen, medienbildnerische Aktivitäten in den Unterricht einzubauen bzw. den Lehrplan der Digitalen Grundbildung umzusetzen?
„Ja, denn wir bilden uns selbst genauso fort, damit wir die Lehrenden auch bei aktuellen Themen, wie z.B. Digitale Grundbildung, unterstützen können. Wir erleben, dass Kinder und Jugendliche sehr natürlich mit neuen Medien umgehen. Worauf wir achten sollten ist, dass sie das nicht nur als Unterhaltungs-, sondern als Arbeitsgerät erkennen und auch, dass sie die Chancen und die Gefahren erkennen, die solche Geräte mit sich bringen. Wenn wir da einen guten Mix finden, können wir sie für diese neue Zeit rüsten.“
Welchen Eindruck haben Sie: Wie läuft’s bisher an den Wiener Schulen hinsichtlich digitaler Kompetenz bzw. der Digitalen Grundbildung?
„Ich persönlich habe das Gefühl, dass das Thema angekommen ist im Zuge des Lehrplans der Digitalen Grundbildung. Auch wenn es den für die Primarstufe so nicht gibt, ist es auch da definitiv Thema. Meiner persönlichen Erfahrung nach, ist es leichter durchzuführen, je mehr Möglichkeiten es vor Ort gibt – und viele KollegInnen sind auch absolut offen dafür. KollegInnen, die mit digitalen Medien im Unterricht arbeiten, erzählen dann oft, dass das Schwung reinbringt – das kann eine schöne Bereicherung sein. Technische Schwierigkeiten können dann natürlich als Stolpersteine dazwischen kommen, in der technischen Ausstattung gibt‘s sicher noch Entwicklungspotential.“
Was würden Sie Lehrenden raten, die sich bisher noch kaum damit auseinandergesetzt haben?
„Das Allererste, was ich rate, ist sich die digitale Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen anzuschauen – womit beschäftigen sie sich gerade? Vor nicht allzu langer Zeit war es z.B. im Mathematikunterricht noch motivierend, das Fernsehprogramm mit TV-Helden zur Berechnung von Zeitspannen einzubauen. Im Jahr 2019 ist das nicht mehr zeitgemäß. Die ‚Alltagshelden‘ von heute – sogenannte Influencer, die Kinder und Jugendliche faszinieren, finden wir auf YouTube, Instagram und Co. Dann kann überlegt werden – wie hole ich diese Faszination ins Klassenzimmer? Vielleicht ein Aufsatz in Rapform oder als Beautyblog-Beitrag? Die Auseinandersetzung mit diesen Themen ist ein wichtiger Schritt, um sich zu öffnen.“
Haben Sie Tipps für einfache, „Einsteiger-freundliche“ Aktivitäten?
„Zum Beispiel Medienkritik, Realität vs. Abbild – das sind oft Themen, die sehr einsteigerfreundlich sind und auch ohne technische Geräte funktionieren: Man kann z.B. ein Foto von einem schönen Sandstrand zu nehmen, um dann herzuzeigen, dass dafür nur ein kleiner Teil eines total verdreckten Strandes genommen wurde. Man kann auch die Unterschiede zwischen Mensch und Maschine besprechen, wie nimmt die Maschine die Umgebung wahr, was können sie im Gegensatz zum Menschen? Was ist ein Programm? Das kann man ganz wunderbar mit einer einfachen Handlungsabfolge thematisieren oder indem man Roboter und Programmierer spielt. Es ist viel Potential da und viele sind offen dafür!“