Interview: “Für Kinder ist das Internet wie Luft”

Barbara Buchegger, pädagogische Leiterin von Saferinternet.at, im Gespräch über den Safer Internet-Aktionsmonat und aktuelle Herausforderungen für SchülerInnen und Lehrende.

Berichte & Reportagen Interview
Barbara Buchegger ist die pädagogische Leiterin von Saferinternet.at.

Passend zum Safer Internet-Aktionsmonat Februar haben wir Barbara Buchegger zum Interview gebeten. Die pädagogische Leiterin von Saferinternet.at berichtete im Gespräch nicht nur über aktuelle Phänomene und wesentliche Wissenslücken rund um Safer Internet-Themen, sondern hatte auch viele Tipps für Lehrende parat.
(Zum Wordrap mit Barbara Buchegger)

Der Februar ist bekanntlich der Safer Internet-Aktionsmonat für Schulen und Bildungseinrichtungen. Was genau ist das und wie können sich Schulen beteiligen?

Barbara Buchegger: “Wir haben in Österreich oft die Herausforderung, dass der Safer Internet Day immer in irgendwelchen Semesterferien liegt. Denn das Datum wird ja nicht von uns bestimmt. Vor vielen Jahren haben wir daher mit dem Bildungsministerium gemeinsam beschlossen, dass wir das auf den ganzen Februar ausweiten – so entstand der Aktionsmonat zum Safer internet Day.
Bei uns gibt’s die Möglichkeit, Aktivitäten online einzureichen und mit etwas Glück etwas zu gewinnen, heuer z.B. eine Medienausstattung nach Wahl im Wert von 500 Euro. Wir haben aber festgestellt, dass weitaus mehr Sachen passieren, als Lehrende bei uns Berichte einreichen. Das ist auch unser Ziel: Wir wollen einfach, dass viele Safer Internet-Aktivitäten passieren, ohne dass es draufstehen muss. Uns ist nur wichtig, dass Inhalte zur sicheren Internetnutzung an den Schulen, in den Einrichtungen und bei den Kindern ankommen.”

Und was für Aktivitäten setzen Schulen im Aktionsmonat beispielsweise um? 

“Die Aktionen, die so passieren sind wirklich vielfältig. Manchmal sind es Peer-Projekte, wo Peers aus höheren Klassen eine Schulung in der 1. Klasse machen oder NMS-Schüler in die Volksschule nebenan gehen. Lange Jahre wurde das häufig mit dem Lehrplanstoff Statistik in der 4. Klasse der Sek. 1 kombiniert: Dann werden z.B. Umfragen zur sicheren Mediennutzung gemacht und Statistiken berechnet. In den letzten Jahren kommen auch ein bisschen mehr kreative Dinge dazu, da fließt die Maker- und Coding-Kultur hinein – das find ich auch schön. Denn uns geht’s in erster Linie ja nicht darum zu sagen ‘das Internet ist gefährlich, tut’s nichts damit’. Sondern darum das Internet und digitale Medien zu nutzen – aber so, dass man sich dabei nicht selbst in Gefahr bringt. Man kann auch unter www.saferinternetday.at nachschauen, dort kriegt man Ideen und Rückblicke auf die vergangenen Jahre.”

Bleiben wir mal im Aktuellen: Welche Themen im Safer Internet-Kontext beschäftigen Kinder und Jugendliche zurzeit Ihrer Erfahrung nach?

“Der Dauerbrenner ist ganz sicher die Bewertung von Inhalten. Zum Beispiel wenn eine komische Werbung ein Gewinnspiel mit einem iPhone verspricht, auch Kettenbriefe kommen immer wieder. Das Weiterschicken von ungeeigneten Inhalten wie z.B. Nacktfotos, Hass-Memes, nationalsozialistischen Inhalten etc. ist ebenfalls ein Thema – darf ich das weiterschicken oder nicht? Bringe ich mein Handy in Gefahr, wenn ich das am Handy hab? Die Bewertung von Inhalten ist bestimmt etwas, was sich durch alle Altersgruppen zieht.

In den sozialen Netzwerken fällt mir auf, dass der Konsum im Vordergrund zu stehen scheint. Die Leute machen vielleicht noch eine Story oder gelegentlich einen Post, aber um wirklich einen Kanal zu führen ist das Niveau mittlerweile doch sehr hoch. Ich habe das Gefühl das Nutzen der sozialen Netzwerke im Sinne der klassischen Selbstdarstellung geht eher ein bisschen zurück. 

Ein weiterer Dauerbrenner ist das Spielen. Da hatten wir sogar schon Situationen, dass 8-jährige Kinder erzählen, dass sie sich wegen ihrer 4-jähriger Geschwister sorgen. Im Alter geht’s auf jeden Fall hinunter.”

Mit dem sinkenden Einstiegsalter befasst sich ja auch Ihre neue Studie. Welche Auswirkungen hat das Ihrer Erfahrung nach darauf, wie Kinder heutzutage das Internet nutzen oder auch verstehen?

“Als ich in die Tätigkeit hier eingestiegen bin, war das Einstiegsalter in das Internet bei ca. 14 Jahren. Jetzt sieht man: Das passiert schon ganz am Lebensbeginn. Die Kinder werden immer jünger, wenn sie erstmals digitale Geräte verwenden. Aber es fehlt zunehmend mehr das Verständnis, was dahinter steht. Es geht gar nicht darum, Computer auseinander- und zusammen zu bauen, doch es fehlt ein grundlegendes technisches Verständnis – auch davon, was hinter dem Internet steht. Für Kinder ist das Internet wie Luft, es ist einfach da.

Eine Schlussfolgerung muss also meiner Meinung nach sein, dass man schon früher anfängt dieses technische Verständnis beizubringen. Zum Beispiel, indem man schon im Kindergarten oder am Anfang der Volksschule das Konzept Internet erklärt. Denn nur wenn ich diese Dinge grundlegend verstehe, kann ich auch mit Konzepten wie Datenschutz, Privatsphäre etc. dort andocken. Mit Aussagen wie ‘Das kann dann die ganze Welt sehen’, kann das Kind sonst oft nichts anfangen.”

Solches Wissen zu vermitteln, ist heutzutage häufig auch die Aufgabe von Schulen. Welche Herausforderungen sehen Sie für Lehrende?

“Es braucht auf jeden Fall noch viel mehr Ausbildungen, Weiterbildungen etc. Das bedarf natürlich Geduld, Ausdauer und einer gewissen Frustrationstoleranz. Da Lehrende heutzutage für viele Dinge verantwortlich gemacht werden, verstehe ich auch, dass sie oft wenig Zeit dazu haben.”

Auch die Elternarbeit ist im Zusammenhang mit der Medienerziehung häufig ein schwieriges Thema. Welche Tipps haben Sie für Lehrende in der Hinsicht?

“Elternarbeit ist die größte Herausforderung, aus unserer Sicht. Häufig geht’s vor allem darum, wie man die Eltern erreicht, die recht wenig Reflexion in dem Thema haben, die wenig Medienerziehung machen und die Kinder eher damit alleine lassen. Vielleicht ist es hilfreich, wenn die Kinder selbst die Themen aufbereiten und den Elternabend gestalten – dann kommen die Eltern nämlich erfahrungsgemäß. Außerdem hat man dann einen Lerneffekt auf mehreren Ebenen. Das ist natürlich aufwendig, so etwas zu veranstalten. Aber in manchen Schulen wird so etwas ja häufiger veranstaltet, z.B. Abende, an denen jeder eine typische Speise seiner Herkunftsgegend mitbringt oder ähnliches. Das könnte man ja vielleicht mit Präsentationen zu Safer Internet-Themen kombinieren, die die Kinder vorbereitet haben.

Wir haben für Eltern unter anderem die Videoreihe ‘Frag Barbara’. Das sind kurze Inhalte, die man sich auch am Smartphone anschauen kann. Wenn neue Themen auftauchen, produzieren wir da auch immer wieder neue Folgen.”


Wordrap

mit Barbara Buchegger:

Ein typischer Arbeitstag bei Saferinternet.at... den gibt’s nicht, ich bin entweder unterwegs oder im Büro.

Mein allererstes Handy… war ein Nokia und ich war schon weit über 20 Jahre alt. Es war wie bei den Kindern heute auch von meiner Mutter, weil sie fand ich bin nicht erreichbar. Das hat sich also nicht geändert (lacht).

Ein Tag ohne Smartphone… gibt’s nicht: Ich lese Bücher am Smartphone, höre Musik und Radio und mache Fotos. Aber es gibt Tage ohne soziale Netzwerke, meist ca. einmal pro Woche.

Mich nerven… Sprachnachrichten.

Am Smartphone spiele ich gerne… Wizards Unite – das “Pokemon Go” für die Harry Potter-Welt.

Digitale Medien im Unterricht… gehören viel mehr eingesetzt, damit sie für die Kinder nicht nur Unterhaltung, sondern Werkzeug sind und sie lernen sie als solche zu verwenden.

Soziale Medien sind für mich… ganz wichtig – beruflich, aber auch persönlich.

In der Schule war mein Lieblingsfach… Lehrenden-abhängig. Von der Geschichte über Physik zu Englisch war das alles, je nach Lehrer oder Lehrerin.

Meine abschließenden Worte an Lehrende: Stellen Sie sich diesen Dingen mit Begeisterung, denn sie gehen nicht weg. Am besten ist es, einen positiven Zugang zu den digitalen Medien zu finden, denn man kann ihnen nicht aus dem Weg gehen. Mit mehr Spaß ist das einfach leichter.