So hilft eEducation Schulen fit für die Zukunft zu werden
Helene Swaton und Harald Axmann sind zwei von insgesamt sechs eEducation-KoordinatorInnen für das Bundesland Wien. Im Interview erklären sie, was es mit eEducation auf sich hat, was Schulen und Lehrkräfte davon haben und wie digitale Medien im Unterricht sinnvoll eingesetzt werden können.
Für jene, denen es noch kein Begriff ist: Was ist eEducation Austria und worum geht's dabei?
Helene Swaton: „eEducation ist eine Initiative des Bildungsministeriums, die unter einem Hut all das zusammenfasst, was es früher gegeben hat: IT@VS, eLSA (eLearning im Schulalltag), KidZ (Klassenzimmer der Zukunft), eLC (eLearning Cluster), ENIS (European Network of Innovative Schools) – das hat zu einem Wirrwarr geführt. Seit 2016 gibt’s eine eigene Abteilung im Ministerium, die für all solche Dinge zuständig ist. Im Zuge dessen ist eEducation Austria entstanden.“
(Anm. d. Red.: II/8 – Abteilung für IT-Didaktik und digitale Medien)
Harald Axmann: „Man hat’s sozusagen geschafft, den 'Wildwuchs' unter einen Hut zu bringen.“
H. Swaton: „Der Sinn von eEducation liegt in der Professionalisierung der Lehrpersonen, unabhängig von Schulstufe und Schulart, und auch in der Kooperation zwischen unterschiedlichen Schulen, egal ob horizontal oder vertikal. Das soll in erster Linie damit erreicht werden.“
H. Axmann: „Und nachhaltige Schulentwicklung – das resultiert ja daraus: Wenn ich’s schaffe die Kolleginnen und Kollegen in einer Schule durch Fortbildungen fit zu machen und mich zugleich mit anderen Schulen vernetze, ist es genau das, was eEducation bringt und auch zu einer nachhaltigen Schulentwicklung führt.“
Warum macht’s für Schulen Sinn an der eEducation-Initiative teilzunehmen? Anders gefragt: Was haben Schulen oder Lehrende davon?
H. Swaton: „Die Schule bekommt die Möglichkeit unter professioneller Betreuung Schulentwicklung durchzuführen.“
H. Axmann: „Außerdem werden Fortbildungen, die nicht in den 'normalen' Fortbildungsrahmen hineinfallen, finanziert und die Schulen können sich dazu Experten einladen. Seien’s Experten aus einer benachbarten Schule mit der man sich vernetzt hat oder von eEducation-Partnern die zur Verfügung stehen, wie z.B. Safer Internet.“
H. Swaton: „Ich brauche für solche Veranstaltungen dann nicht den gesamten Lehrkörper, sondern mindestens 12 Personen. Die Einreichfrist ist auch kürzer. Man kann davon ausgehen, dass man innerhalb von einem Monat eine Reaktion bekommt. Und ich kann zu jedem Thema eine Fortbildung anbieten: Ob Robotik, Programmieren, etc. – solange es eine Gruppe an Lehrpersonen gibt, die daran Interesse hat.“
H. Axmann: „Es ist auch sehr praxisbezogen, denn man führt die Fortbildungen an der eigenen Schule durch. Außerdem kann man auch Projekte einreichen, da geht’s z.B. um Fahrtkosten, Materialkosten etc. Es darf jedoch keine Hardware gekauft werden.“
H. Swaton: „Und jede Lehrperson, die an einer eEducation-Schule arbeitet, hat die Möglichkeit einen eEducation-Zugang zu erhalten und erhält dann Microsoft Office365 gratis.“
Und inwiefern profitieren die Schülerinnen und Schüler?
H. Swaton: „Je besser die Lehrpersonen ausgebildet sind, desto mehr profitieren die SchülerInnen. Ebenso von der Zusammenarbeit mit anderen Schulen.“
H. Axmann: „Oft lernen SchülerInnen dadurch z.B. schon ihre nächste Schule kennen, kennen sich dort schon aus – es ist das Überwinden von Schnittstellen.“
Digitale Bildung und -Kompetenzen werden mithilfe von eEducation stärker in den Mittelpunkt gerückt. Warum sind diese Kompetenzen wichtig?
H. Swaton: „Es werden jetzt überall die sogenannten '21st Century Skills' gefordert: Collaboration, Communication, Creativity und Critical Thinking. Man geht davon aus, dass Menschen der Zukunft diese vier Fähigkeiten beherrschen müssen, um fit für die Zukunft zu sein. Zu glauben, man kommt an dem vorbei, ist völlig naiv. Es gibt kaum einen Bereich im Leben, der nicht irgendwie digitalen Einfluss hat.“
H. Axmann: „Collaboration und Communication sind ohne digitale Medien nicht möglich. Creativity – egal ob Fotos, Film, Audio, Musik – das geht alles nur noch digital.“
H. Swaton: „Auch das kritische Auseinandersetzen mit Medien ist wichtig: Früher hat’s geheißen 'Wenn’s in der Zeitung steht und im Fernsehen ist, ist’s die Wahrheit'. Heute meinen viele 'Wenn’s im Internet steht, wird’s stimmen'.“
H. Axmann: „Ich denke an unsere Verantwortung als Lehrerinnen und Lehrer, dass wir den beruflichen Erfolg der Kinder in gewisser Weise prägen. Die Digitalisierung durchdringt alle Bereiche unseres Lebens. Wir als LehrerInnen haben da die Verantwortung den Kindern in diesen Bereichen die Türen zu öffnen und zu zeigen 'das gibt es alles'.“
Wenn eine Schule nun an eEducation teilnehmen möchte: Welche Voraussetzungen braucht es dazu? Fallen Kosten für die Schule an?
H. Swaton: „Es fallen keine Kosten an. Das Einzige, was eine Schule machen muss, ist sich zuallererst klar werden 'Ja, wir wollen das! Wir wollen uns mit digitalen Kompetenzen auseinander setzen und das den Kindern bieten'. Dann registriert sich die Schule auf der eEducation-Webseite. Man meldet die Schule an und gibt den Koordinator/die Koordinatorin an. Dann kommt eine Mail vom Bundeszentrum mit den Zugangsdaten für die Direktion und den Koordinator/die Koordinatorin. Sobald die Schule registriert ist, kann ich jede weitere Lehrperson für einen Zugang anmelden, auch das wird wieder über die Direktion gespielt – um Missbrauch zu vermeiden. Ein Konzept zur Schulentwicklung abzugeben ist wünschenswert, aber keine Voraussetzung.“
H. Axmann: „Wichtig ist, dass die Direktion dahinter steht, und ein großer Teil des Lehrkörpers.“
Im eEducation-Netzwerk wird zwischen Member-Schulen und Expert-Schulen unterschieden. Was bedeutet das?
H. Swaton: „Member-Schule bin ich immer, egal ob ich etwas tue oder nicht. Als Member-Schule kann ich Aktivitäten eintragen und einreichen, freischalten kann’s nur der Koordinator. Die Schreibarbeit kann aber jeder Lehrer für sich selbst erledigen, und einer reicht‘s ein. Für jede Aktivität die ich einreiche, kriege ich Punkte, abhängig davon worum genau es sich handelt. Um zu einer Expert-Schule zu werden, brauche ich eine gewisse Anzahl von Punkten. 25 Punkte gelten als Basis für alle, für jede Klasse, die die Schule hat, sind’s zusätzlich 5 Punkte pro Klasse, nach oben hin gedeckelt mit 150 Punkten.“
H. Axmann: „Die Aktivitäten sind die sogenannten Badges. Es gibt Badges, die mit allem möglichen etwas zu tun haben, was man machen kann. Dieses Interview, das wir hier führen, könnte z.B. schon ein Badge zur Weiterverbreitung des Themas eLearning sein.“
H. Swaton: „Eine Empfehlung von uns, wenn sich nicht alle Lehrpersonen so fit fühlen das selbst einzutragen: Hängt’s im Lehrerzimmer einen Zettel auf, wo alles aufgeschrieben wird, was gemacht wurde, und der Koordinator trägt‘s gesammelt am Monatsende ein. In dem Moment, wo ich die nötige Punktezahl erreicht habe, bin ich Expert-Schule für dieses, aber auch für das komplette nächste Schuljahr. Diesen Status muss ich mir dann immer wieder neu erarbeiten.“
Was hat man davon Expert-Schule zu sein?
H. Swaton: „Abgesehen davon, dass ich’s nach außen hin auf der Homepage sichtbar machen kann, für Eltern und für die Öffentlichkeit, kann nur eine Expert-Schule etwas beantragen, das Geld kostet. Ich kann aber als Expert-Schule eine Member-Schule 'mitnehmen'. Wenn ich z.B. eine Member-Schule bin und eine SCHILF einreichen möchte, suche ich mir eine Expert-Schule, die ich mit ins Boot holen kann. Das ist auch der Punkt, wo wir als Koordinatoren aktiv werden und die Kooperationen der Schulen bei Bedarf initiieren. Außerdem müssen wir kontrollieren, ob die Erklärung plausibel ist, für das was da eingereicht wird, und geben Feedback.“
Eine Möglichkeit um digitale Kompetenzen zu vermitteln ist ja z.B. der Einsatz des Smartphones oder auch eines Tablets im Unterricht. Diesbezüglich hört man aber immer wieder noch skeptische Stimmen. Wie stehen Sie dazu?
H. Swaton: „Das allerwichtigste, wenn ich Smartphones oder Tablets in der Schule nutzen will: Ganz klare Regeln für die Nutzung!“
H. Axmann: „Es ist eine Mär, die durch manche Schulen geht, dass an Schulen die Smartphones verboten wären. Es geht vielmehr darum: Wenn man sagt, die Schüler dürfen damit arbeiten, weil sie damit ARBEITEN, sind die sehr wohl verwendbar.“
H. Swaton: „In Österreich herrscht Lehrmittelfreiheit. Ich kann als LehrerIn alles in meiner Stunde einsetzen, was ich verantworten kann. Die Nutzung in der Pause ist was anderes: Das wird in vielen Schulen durch die Hausordnung geregelt, da gibt’s einige, die das in der Pause verbieten. Selbst wenn’s in der Pause erlaubt ist, muss aber klar sein, was erlaubt ist und was nicht, und was passiert, wenn man sich nicht dran hält.“
H. Axmann: „Etwas ganz anderes sind Lehrausgänge. Da ist es generell so, dass Handy gleich Kamera ist. Da wird mit Handys fotografiert und die Kinder dokumentieren so ihre Erlebnisse.“
Welche Tipps können Sie Lehrenden mit auf den Weg geben, die Smartphone und/oder Tablet im Unterricht einsetzen möchten?
H. Swaton: „Man muss das Bewusstsein schaffen, dass Tablets und Smartphones EIN Werkzeug sind - von vielen. Es gibt keinen vernünftigen Unterricht, der 50 Minuten lang ein Handy oder ein Tablet im Einsatz hat. Es sind kurze Sequenzen, wo ich es als eines von vielen Werkzeugen nutze.
Zum Beispiel: Ich habe in Mathematik eine Aufgabe, die ich lösen muss, und habe vom Lehrer den Auftrag bekommen ein Video davon zu machen, wie ich die Aufgabe löse. Jemand schreibt, zeichnet und rechnet – und jemand anderer filmt das ab und erklärt es. Solche Erklärvideos helfen SchülerInnen oft mehr, als wenn’s der/die LehrerIn erklärt. Oder im Englischunterricht z.B. gibt’s immer wieder Dialoge, die gehalten werden. Wenn ich die Kinder in Gruppen zusammensetze und die Dialoge aufnehmen lasse, dann kommt jedes Kind zum Sprechen und ich kann’s mir als LehrerIn anhören, schicken lassen, etc. Und wenn ich mich als SchülerIn selber höre und dabei Fehler bemerke, mache ich die Aufnahme noch einmal – und spreche noch einmal.
Noch ein Tipp: Wenn ich eine Unterrichtssequenz plane, wo ich das Internet brauche, muss ich immer einen Plan B haben. Die Möglichkeit, dass das Internet nicht funktioniert, ist gegeben. Ich muss darauf eingestellt sein unter Umständen ohne auszukommen.“
Nicht alle Schulen sind technologisch top ausgerüstet. Hätten Sie also vielleicht Tipps für Lehrende von Schulen, die mit weniger Ressourcen auskommen müssen?
H. Swaton: „Es hat vielleicht nicht jedes Kind ein internetfähiges Handy, aber irgendein Handy hat heutzutage jedes Kind, meist ab der Sekundarstufe I. Und man kann das nutzen, was es kann: Audioaufnahmen, Fotos, Rechenfunktionen, Offline-Wörterbücher. Außerdem gibt’s sehr viele Aufgaben, die ich in Gruppenarbeit lösen kann. Bei einer Klasse mit 25 Kindern genügen mir dann ja 5 Smartphones um ein Projekt umzusetzen, denn man hat ja auch Klassenlektüre, Computer, Zeitungen etc.“
H. Axmann: „Ich möchte keine Ausstattungsdiskussion führen, das soll der Schulerhalter machen. Mit dem, was wir an den Schulen haben, können wir arbeiten – und wenn’s nichts ist. In Wien hat aber jede Volksschulklasse zwei PCs mit Internet in der Klasse und jede NMS zumindest einen Computerraum. Da kann man schon mal einiges machen – zu Coding, Textverarbeitung, etc. Ich kann z.B. auch mit einem karierten Blatt Papier programmieren, da kann man Code zeichnen lernen.“
Zum Abschluss noch einmal in nur einem Satz zusammengefasst: Warum sollte man als Schule an eEducation teilnehmen?
H. Swaton: „Weil das Erwerben der 21st Century Skills eine unbedingte Voraussetzung ist um das zukünftige Leben zu meistern und wir den Auftrag haben die Schüler dazu zu befähigen.“
H. Axmann: „Weil die digitale Bildung die Zukunft unserer Kinder ist.“
Infos:
Derzeit zählt man in Wien 62 eEducation-Volksschulen, davon sind 17 Expert-Schulen und 45 Member-Schulen. Im Allgemeinen Pflichtschulbereich der Sekundarstufe I zählt man insgesamt 58 eEducation-Schulen, davon 31 Expert-Schulen (alle NMS). Bei den Member-Schulen finden sich 20 NMS, 5 PTS und 2 ZIS-Standorte. Mehr über eEducation finden Sie auf der eEducation Austria-Webseite.
(Status Ende September 2017)
Zu den Personen:
Helene Swaton war ursprünglich Hauptschul- bzw. NMS-Lehrerin für Deutsch, Biologie und Informatik. Derzeit ist sie jedoch nicht mehr in der Klasse, sondern sowohl im pädagogischen Beirat des Wiener Stadtschulrats für IT-Angelegenheit tätig, als auch als Regionalbetreuerin und Informationskoordinatorin im Bereich IT. Außerdem ist sie eEducation-Koordinatorin für den APS-Bereich der Sekundarstufe I im Bundesland Wien.
Harald Axmann ist Lehrer an der Ganztages-Volksschule Dopschstraße im 21. Wiener Bezirk. Außerdem ist er im pädagogischen Beirat für IT-Angelegenheiten des Wiener Stadtschulrats tätig sowie ebenfalls als Regionalbetreuer und Informationskoordinator im Bereich IT. Er ist, gemeinsam mit Ursula Fleischmann, eEducation-Koordinator für die Grundstufe im Bundesland Wien. Außerdem ist er Koordinator für das "Denken lernen - Probleme lösen"-Projekt in Wien.