Twine - Interaktive Texte im Unterricht

Schüler:innen und Schüler erstellen im Sprachunterricht interaktive Geschichten.
Sekundarstufe I
Sekundarstufe II
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Kompetenzen der Digitalen Grundbildung

  • Produktion

Ressourcen


Kontext

Das Format des interaktiven Textes ist vielen Schülerinnen und Schülern durch das beliebte Genre der Abenteuerspielbücher bekannt. Im Gegensatz zum linearen Lesen müssen hier während des Lesens Entscheidungen getroffen werden, die zu einem anderen Ort im Buch führen und den weiteren Verlauf der Geschichte beeinflussen. Interaktive Texte, meist in Chat-Optik, sind auch als Smartphone-Apps verbreitet.

Mit dem Open Source Programm Twine können solche interaktiven Geschichten (interactive fiction) in digitaler Form als Hypertext erstellt und online in jedem Browser gelesen werden. Links im Text führen zu weiteren Textabschnitten.

Twine eignet sich vor allem für den Einsatz im Sprachunterricht. In dieser Praxis-Idee soll gemeinsam eine interaktive Geschichte entstehen, wobei die Struktur im Plenum geplant wird und die Schüler:innen dann einzeln die Textabschnitte verfassen. Dies nimmt etwa zwei Unterrichtseinheiten in Anspruch, kann aber je nach Umfang der geplanten Geschichte auch länger dauern.

Einstieg

LESEAUFGABE | Spielbuch

Einzelarbeit

Die Schüler:innen erhalten Spielbücher als Leseaufgabe, etwa Bücher aus der 1000 Gefahren-Reihe von Ravensburger oder der Choose Your Own Adventure - Reihe. Dies kann eine Hausaufgabe sein oder auch im Unterricht erfolgen. In vielen Spielbüchern genügen wenige Minuten für das Lesen eines Erzählstranges. Die Schüler:innen sollen darauf achten, wie viele Entscheidungen sie treffen müssen, bis sie das Ende - bzw. eines der Enden - erreichen.

DISKUSSION | Aufbau interaktiver Texte

Plenum

Nun wird über den Aufbau dieser Texte diskutiert und die Inhalte werden analysiert. Mögliche Leitfragen sind:

  • In welcher Person sind die Texte verfasst?
  • Wie viele Enden habt ihr erreicht? Wodurch unterscheiden sie sich?
  • Wie viele Seiten/Abschnitte führen vom Anfang des Buches zu den jeweiligen Enden?
  • Welche Arten von Entscheidungen müssen getroffen werden? (z.B. räumlich - linker oder rechter Weg, Gespräch - Auswahl der Antwort im Dialog, Aktion - Ziehen eines von mehreren Hebeln...)
  • Gibt es Schnittpunkte, an denen mehrere Erzählstränge zusammenlaufen?

Anhand dieser Fragestellungen wird eine Liste zu den Besonderheiten interaktiver Texte im Vergleich zu linearen Texten erstellt und als Plakat aufgehängt oder digital veröffentlicht.


Modul A: Kennenlernen von Twine

INPUT | Twine-Beispiele

Plenum

Die Lehrperson zeigt über den Beamer oder das digitale Whiteboard kurze Beispiele für Twine-Texte von der Webseite “Stories in der Schule”. Darin werden einige Gestaltungsmöglichkeiten mit Twine demonstriert. Für einfache interaktive Texte genügen die beiden ersten Beispiele “Spielplatz” und “Mückensimulator”. Im kurzen Einführungsvideo wird gezeigt, wie Links innerhalb der Geschichte durch das Einschließen von Worten in [[doppelte eckige Klammern]] erstellt werden. Für Schüler:innen ab etwa der 3. Klasse der Sek 1 ist auch dieses Video geeignet.

Wird diese Praxisidee im Englischunterricht genutzt, eignen sich die kurzen Textadventures auf der Seite eXperience Play zum gemeinsamen Durchspielen.

Die Lehrperson öffnet danach die Software im Browser, erstellt eine neue Geschichte und zeigt noch einmal Schritt für Schritt, wie die Verlinkungsfunktion funktioniert. Dies wird detailliert in den Sachinformationen beschrieben.

Option: Wenn genug Zeit zur Verfügung steht, kann die selbständige Lektüre von Twine-Geschichten als Hausaufgabe gegeben werden. Eine kuratierte Liste interessanter Spiele in englischer Sprache gibt es auf der Interactive Fiction Database. Mit der Sucheingrenzung “german” findet man dort auch viele deutsche Texte. Die Lehrperson sollte die vorgeschlagenen Spiele selbst durchgespielt haben, um festzustellen, ob sie sich für die Klasse eignen.

ÜBUNG | Erste eigene Twine-Geschichten

Einzelarbeit

Die Schüler:innen starten nun Twine auf den eigenen Geräten und entwickeln kurze Geschichten. Dabei soll ausschließlich die Link-Funktion genutzt werden. Die Geschichte soll einen Start-Abschnitt, drei Textabschnitte mit Entscheidungsmöglichkeiten und ein Ende enthalten. Für diese Aufgabe stehen etwa 30 Minuten zur Verfügung.

ZWISCHENREFLEXION | Präsentation der Geschichten

Plenum

Über Build → Publish to file werden die Geschichten als HTML-Dokumente exportiert. Werden sie dann, z.B. über MS Teams, an einem gemeinsamen Speicherplatz gesammelt, können sie gemeinsam angesehen werden. Nur die Geschichten der Schüler:innen, die das auch wünschen, werden vorgestellt.

In der Diskussion können folgende Fragen besprochen werden:

  • Wie ist die Entwicklung der Geschichte verlaufen? Habt ihr vorausgeplant oder spontan beim Schreiben entschieden?
  • Ist es euch leichtgefallen, eine interaktive Geschichte zu schreiben?
  • Wie seid ihr mit der Bedienung von Twine zurecht gekommen?

Modul B: Twine-Stories erstellen

DISKUSSION | Planung der Story

Plenum

Die Struktur der geplanten gemeinsamen Twine-Story wird nun zunächst im Plenum besprochen und auf Flipchart oder Tafel aufgezeichnet. Die Klasse einigt sich über Thema, Hauptpersonen, Erzählzeit etc. und entwickelt mithilfe einer Concept Map die Struktur der Geschichte. Dort werden die Schauplätze und Stichworte zur Handlung der einzelnen Textabschnitte notiert. Jeder Textabschnitt muss auch einen eindeutigen Namen erhalten, auf den verlinkt werden kann.

Je nach Alter der Schüler:innen kann die Geschichte mehr oder weniger komplex werden. 

KREATIVAUFGABE | Schreiben der Textabschnitte

Einzelarbeit oder Kleingruppe

Um zu vermeiden, dass sich alle nur um die spannendsten Stellen reißen, werden die Namen der Abschnitte auf Zettel geschrieben, zufällig gezogen und verteilt. Die Textabschnitte werden dann von Schüler:innen einzeln oder in Kleingruppen von zwei bis drei Personen verfasst und in ein gemeinsames Online-Dokument oder Etherpad eingetragen. Leider kann nicht gleichzeitig von mehreren Computern aus an derselben Twine-Story gearbeitet werden.

Eine der Kleingruppen schreibt nicht mit, sondern erhält die Aufgabe, die Texte in eine Twine-Story zu übertragen. Während die anderen schreiben, erstellt diese Gruppe bereits die Struktur der Geschichte mit Links anhand der Flipchart-Planung.

Da die Textabschnitte nur wenige Sätze lang sein sollen, reichen für diese Aufgabe 10-15 Minuten aus. Fertige Abschnitte werden von den Teams im Dokument grün markiert. Diese fertigen Texte werden von der Twine-Gruppe in die vorbereitete Struktur übertragen.

Sind alle Textabschnitte fertiggestellt, wird die Story getestet und kann nun über den Beamer vorgezeigt werden. Am Ende des Projektes kann eine Veröffentlichung als HTML Dokument stehen, z.B. in Moodle, auf einer Schul-Homepage, einem Blog etc. Die Autor:innen sollten in einer eigenen Credits-Passage genannt werden.


Reflexion

Plenum

Die Reflexion kann anhand der folgenden Leitfragen erfolgen:

  • Wie ist es euch mit dem gemeinsamen Verfassen einer Geschichte gegangen?
  • Welche Unterschiede zwischen einer linearen Geschichte und einem interaktiven Text habt ihr gefunden?
  • Welche Arten von Entscheidungen - räumlich, Dialog, Aktion - habt ihr in die Geschichte eingebaut?
  • Wie viele Enden gibt es? Gibt es “gute” und “schlechte” Enden?
  • Was hat ein interaktiver Text mit einem Computer- oder Videospiel gemeinsam?

Weiterführende Ideen

Vokabel-Quiz

Der interaktive Aspekt von Twine eignet sich auch für die Erstellung von Vokabel-Quiz. Neu gelernte Wörter können gefestigt werden und zu einem spielerischen Vokabeltraining beitragen. Beispielsweise können umgangssprachliche Wörter behandelt werden. Ein Multiple Choice Quiz ist in Twine einfach zu erstellen. Entweder wird die richtige Bedeutung eines Wortes abgefragt, oder zu einer vorgegebenen Definition das passende Wort gesucht.

Erstellen die Schüler:innen selbst ein Quiz, ist es ratsam, sie in Expert:innengruppen einzuteilen. Das bedeutet, dass die Schüler:innen in Gruppen jeweils ein Vokabelquiz zu einem bestimmten Themenbereich erstellen sollen, welches die anderen Gruppen dann, ohne vorher über den Inhalt Bescheid zu wissen, ausprobieren können.

Literarische Texte analysieren

Eine Kurzgeschichte wird gelesen und analysiert, an welcher Stelle die Protagonist:innen Entscheidungen treffen. An diesen Stellen werden Links zu Verzweigungen gesetzt und neue Verläufe der Geschichte entwickelt. Gut geeignet sind Märchen und Fabeln wie Rotkäppchen oder The Shepherd Boy and the Wolf.

Fotostory

Jede Phase der Geschichte wird durch ein möglichst deutliches Foto illustriert. Darunter stehen Entscheidungsmöglichkeiten zur Auswahl. Achtung: Fotos werden nicht im Twine-Dokument gespeichert und müssen online in einem eigenen Ordner liegen. 

Digitale Reihumgeschichte

Dies ist eine lineare Erzählung, an der sich eine beliebige Zahl von Autor:innen beteiligen kann. Es wird nur ein Computer benötigt. Jede:r Autor:in liest zunächst nur die Passage, die die Person davor geschrieben hat, und schließt daran an. Die Passagen können je nach Vereinbarung ein, zwei Sätze oder mehr umfassen. Der/die letzte Autor:in muss der Geschichte einen Abschluss geben.

Weitere Beispiele für kollaborative Schreibprojekte sind in diesem Artikel zu finden.

Komplexe Themen darstellen

Viele komplexe Themen können in interaktiver Form besser dargestellt werden als in einem linearen Text, etwa Flucht und Migration oder die Klimakrise: Welche Konsequenzen haben die getroffenen Entscheidungen, wie könnte es weitergehen, wenn anders entschieden würde? Auch die Eskalation bzw. Deeskalation von Konflikten lässt sich gut als interaktiver Dialog erarbeiten.


Sachinformationen

Jede Twine-Geschichte ist eine einzige HTML-Datei, eingebettetes Javascript sorgt für die interaktiven Funktionen. Bilder und Audio-Dateien werden verlinkt und müssen online in einem eigenen Ordner liegen.

“Twines” können in jedem Smartphone-Browser gespielt werden, für das Erstellen ist allerdings ein Computer notwendig. Auf Twinery.org ist das Programm zu finden. Es kann sowohl direkt im Browser geöffnet oder auch installiert werden. Twine bietet zahlreiche Optionen für den Einsatz von Variablen, Scripts und optischen Anpassungen; für das hier beschriebene Einsatzgebiet genügt die Verlinkungsfunktion: Durch das Einschließen eines Wortes oder einer Phrase innerhalb einer Textpassage in [[doppelte eckige Klammern]] wird eine neue Textpassage und ein Link zu dieser erstellt.