Sprichst du Schokolade
Wer ist meine beste Freundin? Und kann das nur die eine einzige sein? Oder können wir vielleicht doch alle miteinander "Best-Friends-Forever" sein?
Vordergründig dreht sich in diesem amüsanten, leicht zu lesenden Mädchenbuch alles um diese Fragen. Cas Lester versteht es aber brillant, darüber hinaus den familiären Hintergrund ihrer jungen Heldinnen überzeugend mitauszuleuchten und stellt dabei noch allerhand andere wichtige Fragen. Zum Beispiel die, wie die Integration eines Flüchtlingskindes in einer britischen Schulklasse und damit natürlich generell in unserer europäischen Kultur glücken kann. Denn Nadima ist "die Neue" in der Klasse, sie spricht noch kein Englisch, ihre Familie stammt aus Syrien und hatte dort eine Bäckerei.
Erzählt wird die Geschichte allerdings von der Legasthenikerin Josie, deren Rechtschreibschwäche ebenso stark ausgeprägt ist wie ihr Sinn für Gerechtigkeit. Josie liefert sich deshalb mitunter wortreiche Gefechte mit der Direktorin ihrer Schule oder platzt auch mal ins Konferenzzimmer, um lautstark einer Lehrerin ihre Meinung über deren Unterricht kund zu tun. Josie ist also, eigentlich grundsympathisch, aber ein ungestümes Wesen, das sich des öfteren im Ton vergreift. Und doch ist es gerade sie, die als erste in ihrer siebten Klasse eine Kommunikation mit Nadima in gang bringt, als alle anderen Mädchen noch hilflos beratschlagen, wie man mit der Neuen, die kein Wort Englisch spricht, denn umgehen soll. Josie bietet Nadima einfach ein Stück Schokolade an und bekommt dafür ein Lächeln und einige Stücke Lokum zurück. Was folgt ist der Beginn einer schwierigen Freundschaft, mit Verabredungen fürs Kino - zunächst übers Handy und ausschließlich mittels Emojis - mit Pyjamapartys samt Ein- und dann wieder Ausladungen anderer Mädchen und folglich mehrmals wechselnden Besetzungen, gemeinsame Schulprojekte, Irritationen und zwischenzeitliche Zerwürfnisse aufgrund kulturell unterschiedlicher Auffassungen, Bewertungen oder simpler Missverständnisse. Samt Josies Einsicht, dass (nicht nur) in Sachen Integration "gut gemeint" nicht selbstverständlich schon "gut" ergibt.
Alles in allem ein überzeugendes Stück Unterhaltungsliteratur, dass auch ernstere Töne anschlägt, und am Weg zum Happyend nicht auf vorschnelle, vereinfachende Scheinlösung zurückgreift.