Studie: Hass im Netz schränkt Meinungsvielfalt ein
Hass im Netz ist längst keine Randerscheinung mehr, sondern eine bedrohliche Realität, die den demokratischen Diskurs zunehmend beeinflusst. Wie das geschieht und wen Hass im Netz am häufigsten trifft, zeigt die neue Studie “Lauter Hass – leiser Rückzug. Wie Hass im Netz den demokratischen Diskurs bedroht.“
Viele erfahren selbst Hass im Netz
Etwa die Hälfte der 3.000 befragten Internetnutzer:innen hat Hass im Netz bereits wahrgenommen, etwa jede:r Achte war eigenen Angaben zufolge bereits selbst betroffen. Fast jede zweite Person wurde schon einmal online beleidigt, einem Viertel der Befragten wurde körperliche Gewalt angedroht. 89 Prozent der Befragten stimmten zu, dass der Hass im Netz in den letzten Jahren zugenommen hat.
Rassistische Beleidigungen sowie Beleidigungen aufgrund der sexuellen Orientierung, des Geschlechts oder der Geschlechtsidentität werden klar als Formen von Hass im Netz identifiziert. Bei der Bewertung was als Hass im Netz gilt, spielt die politische Einstellung jedoch eine wesentliche Rolle: Wer sich politisch (eher) links einordnet, nimmt Hass im Netz häufiger wahr als Personen, die eine andere politische Einstellung angeben.
Junge Frauen sind besonders häufig betroffen
Insgesamt geben 15 Prozent der Befragten an, selbst bereits von Hass im Netz betroffen gewesen zu sein. Darunter fallen besonders häufig junge Frauen, aber auch Personen mit Migrationshintergrund und Menschen mit homo- oder bisexueller Orientierung. Bei Frauen hat der Hass im Netz eine eindeutig misogyne Dimension: Fast jede zweite junge Frau hat schon ungefragt ein Nacktfoto erhalten und jede fünfte wurde sexuell im Internet belästigt.
Die Inhalte der Hasskommentare beziehen sich am häufigsten auf politische Ansichten: 41 Prozent der Betroffenen sagen, dass sie aufgrund ihrer politischen Meinung angegriffen wurden. Aus Sicht der Befragten sind die Plattformen X (ehemals Twitter), TikTok, Facebook und Instagram besonders häufig Schauplätze von Hass im Netz. Die Meldewege werden zwar insgesamt als einfach zu bedienen bewertet und auch von einigen genutzt, aber offenbar reicht dies nicht aus um den dort verbreiteten Hass nachhaltig zu unterbinden.
Rückzug aus demokratischen Diskurs im Netz
Die Folgen von Hass im Netz umfassen u. a. sozialen Rückzug und einen Rückgang der Online-Aktivitäten. Häufigste Folgen für Betroffene sind psychische Beschwerden und Probleme mit dem Selbstbild. Auch die Meinungsvielfalt leidet darunter: Mehr als die Hälfte aller Befragten gibt an, sich deshalb seltener im Internet zur eigenen politischen Meinung zu bekennen oder sich seltener an Diskussionen zu beteiligen. Unter den direkt von Hass im Netz Betroffenen ist der Anteil noch größer. Die Stimmen derjenigen, die betroffen sind, werden also leiser, wenn der Hass lauter wird. Da Hass im Netz vor allem marginalisierte oder benachteiligte Gruppen betrifft, verstummen im demokratischen Diskurs im Netz vor allem deren Stimmen. Zudem befürchten drei Viertel der Befragten, dass durch Hass im Netz die Gewalt im Alltag zunimmt.
Eine überwältigende Mehrheit der Internetnutzer:innen wünscht sich politische Maßnahmen zur Regulierung, Bekämpfung und Prävention von Hass im Netz. Diese umfassen beispielsweise eine Sensibilisierung der Polizei und Justiz, den Ausbau von Beratungsstellen sowie eine stärkere Übernahme von Verantwortung durch die Social Media-Plattformen. 79 Prozent stimmen der Aussage zu, dass Plattformen auch finanzielle Verantwortung für die durch Hass im Netz entstehenden gesellschaftlichen Schäden tragen sollten.
Über die Studie
Die repräsentative Studie „Lauter Hass – leiser Rückzug. Wie Hass im Netz den demokratischen Diskurs bedroht.“ ist die umfangreichste Untersuchung seit 2019 zur Wahrnehmung und den Folgen von Hass im Netz in Deutschland. Mehr als 3000 Internetnutzer:innen aus Deutschland ab 16 Jahren wurden zwischen Oktober und November 2023 befragt. Die Studie wurde von Das NETTZ, der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK), HateAid und den Neuen deutschen Medienmacher*innen im Rahmen des Kompetenznetzwerks gegen Hass im Netz durchgeführt.