Studie: Sexuelle Belästigung online für viele Jugendliche Alltag

Besorgniserregende Studienergebnisse zeigen, wie stark Jugendliche von sexueller Belästigung online betroffen sind – und wie dringend nötig Aufklärungs- und Präventionsarbeit sind.

Studien
KI-generiertes Bild eines jugendlichen Mädchens, das ein Smartphone in der Hand hält und mit irritert bis angeekelten Gesichtsausdruck auf den Display schaut.
38 Prozent der Jugendlichen waren online schon einmal mit Formen sexueller Belästigung konfrontiert. Betroffen sind mehr als die Hälfte der weiblichen Jugendlichen und etwa ein Viertel der männlichen Jugendlichen.

Anzügliche Kommentare, intime Fragen oder die Aufforderung, Nacktbilder zu schicken: Bereits 38 Prozent der Jugendlichen waren zumindest einmal mit Formen sexueller Belästigung im Internet konfrontiert. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie von ÖIAT, ISPA und Rat auf Draht. „Die Ergebnisse zeigen eine beunruhigende Entwicklung und dringenden Handlungsbedarf auf. Erforderlich sind vor allem verstärkte Präventionsmaßnahmen“, so Barbara Buchegger, pädagogische Leiterin von Saferinternet.at.

Mehr Mädchen als Burschen betroffen

Während 38 Prozent der Befragten angeben, zumindest einmal mit sexueller Belästigung im Internet konfrontiert gewesen zu sein, geben erschreckende 10 Prozent an, oft oder sehr oft betroffen zu sein. Mehr als die Hälfte der weiblichen Jugendlichen hat bereits solche Erfahrungen gemacht, bei männlichen Jugendlichen ist rund ein Viertel davon betroffen. Etwa die Hälfte aller Befragten (52 %) geht davon aus, dass bereits Kinder im Volksschulalter online von sexueller Belästigung betroffen sind.

In erster Linie finden die Übergriffe in sozialen Netzwerken statt, gefolgt von Messengern und Onlinespielen. Beunruhigend ist, dass knapp ein Drittel der Befragten sexuelle Belästigung im Internet als normal beurteilt – es sei ein “Teil der digitalen Lebenswelt”.

Sexting, Nacktbilder und Sextortion

Der Austausch von Nacktbildern kann für Jugendliche Teil ihrer selbstbestimmten Sexualität sein. Dies passiert jedoch nicht immer freiwillig oder einvernehmlich. 42 Prozent der Befragten haben in ihrem Umfeld bereits wahrgenommen, dass Nacktfotos ohne Zustimmung weitergeschickt oder veröffentlicht wurden. Fünf Prozent geben an, davon selbst betroffen zu sein. 14 Prozent haben bereits Nacktbilder von sich selbst verschickt. Auf Nachfrage sind sich 34 Prozent der Betroffenen unsicher, ob die Entscheidung tatsächlich freiwillig war. Einige sagen sogar, dass sie die Aufnahmen nicht freiwillig verschickt haben.

Sechs Prozent der Befragten geben an, schon einmal heimlich in einer intimen Situation gefilmt worden zu sein, zum Beispiel beim Sex, auf der Toilette oder beim Umziehen. Dass Kinder und Jugendliche häufig Opfer von Sextortion (also der Erpressung mit Nacktbildern) sind, bestätigt Birgit Satke, Leiterin der Beratungsstelle Rat auf Draht: „Besonders viele Beratungsanfragen kommen von Sextortion-Opfern, insbesondere von männlichen Kindern und Jugendlichen. Auch werden diese immer häufiger mit KI-generierten Inhalten erpresst. Auffallend ist, dass die Betroffenen immer jünger werden.” Das unerlaubte Weiterleiten von Nacktfotos zieht für die Abgebildeten oft gravierende Folgen wie Stigmatisierung, Mobbing und oft einen Schulwechsel als letzten Ausweg nach sich. Dennoch ist die Hälfte der Kinder und Jugendlichen der Meinung, dass Personen, die Nacktfotos von sich verschicken, selbst schuld sind, wenn diese dann weiterverbreitet werden. Jugendlichen fehlt das Wissen darüber, unter welchen Umständen sie solche Aufnahmen selbst besitzen dürfen und dass eine Verbreitung ohne Zustimmung juristische Folgen nach sich ziehen kann. Hier ist Aufklärungs- und Präventionsarbeit nötig.

Ignorieren, Blockieren, Melden

Auf unangenehme sexuelle Fragen reagieren fast zwei Drittel der Befragten, indem sie diese ignorieren, während 57 Prozent die Personen blockieren. 39 Prozent geben an, Personen, die ihnen solche Fragen stellen, auch an die jeweiligen Plattformen zu melden. Aus den Fokusgruppen ging eine gewisse Resignation hervor, da Jugendliche dieses Vorgehen als wenig zielführend empfinden und wenig Vertrauen in das Meldeverfahren haben. Insgesamt wünschen sich viele Jugendliche eine bessere Aufklärung und mehr Informationen zu diesem Thema. Als wichtiger Ort der Aufklärung wird die Schule gesehen.

„Es ist essenziell, dass Jugendliche lernen, Gefahren frühzeitig zu erkennen und sich zu schützen – etwa, indem sie eigene Grenzen wahrnehmen und diese selbstbewusst aufzeigen. Gleichzeitig müssen wir Erwachsene als Ansprechpersonen stärken“, betont Barbara Buchegger. Nur zehn Prozent der Befragten reden mit jemandem über ihre Erfahrungen. „Für Eltern bedeutet das zunächst, anzuerkennen, dass Sexualität auch im Internet ein Teil des Lebens von Jugendlichen ist. Sie sind gefordert, ihre Kinder ernst zu nehmen und ihr Selbstvertrauen zu stärken, damit diese nicht ausschließlich auf Anerkennung aus dem Netz angewiesen sind“, so Buchegger weiter.


Über die Studie

Die Studie „Sexuelle Belästigung Online“ wurde vom Institut für Jugendkulturforschung und Kulturvermittlung im Auftrag des Österreichischen Instituts für angewandte Telekommunikation (ÖIAT) und der ISPA – Internet Service Providers Austria im Rahmen der EU-Initiative Saferinternet.at durchgeführt. Im Befragungszeitraum (Oktober 2024) nahmen 405 Jugendliche im Alter von 11 bis 17 Jahren, repräsentativ nach Alter, Geschlecht und Bildungshintergrund, teil. Zusätzlich wurden 70 Jugendliche aus vier Schulklassen zwischen 13 und 19 Jahren in Fokusgruppen befragt. Interviews mit Expertinnen und Experten aus Beratungseinrichtungen und Wissenschaft rundeten die Untersuchung ab.