Medienheld:innen auf der Flucht vor der Steuer

Influencer:innen zwischen Finanzamt und Briefkastenfirma im globalen Süden

Berichte & Reportagen

“300-Millionen-Euro-Steuerbetrug”: Titelzeilen wie diese blitzten Mitte Juli in den deutschsprachigen Medien auf. Sie warfen damit ein Schlaglicht auf einen Aspekt von Influencer:innen, der oft zu wenig beachtet wird, wenn von den neuen Traumberufen vieler Jugendlicher in den Sozialen Medien die Rede ist. Die digitale Welt ist nicht selten scheinbar derart abgekoppelt vom gewöhnlichen Alltag, dass das Bewusstsein über die Verpflichtungen gegenüber Finanzamt & Co. manchmal abgehängt wird.

Im Konkreten ging es um rund 6.000 Datensätze, die eine eigene Task Force des Landesamtes zur Bekämpfung der Finanzkriminalität des deutschen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen derzeit auswertet (nähere Infos unter diesem Link). Vorgegangen werden soll dabei vor allem gegen Influencer:innen, die Steuerbetrug bzw. -hinterziehung im großen, fast schon professionellen Stil betreiben. Das Gesamtvolumen des vermuteten Schadens belief sich auf eben insgesamt rund 300 Millionen Euro, wobei der Zeitraum der Vorfälle unklar blieb.

„Im Fokus unseres Influencer-Teams stehen ausdrücklich nicht junge Menschen, die ein paar Follower gesammelt und ein paar Cremes oder Kleider beworben haben. Das LBF NRW hat auch auf den sozialen Netzwerken die großen Fische im Visier. Was in der Bevölkerung kaum bekannt ist: Es gibt bei den großen Social-Media-Profilen Akteurinnen und Akteure, die mit hoher krimineller Energie jegliche Steuerverpflichtung zu umgehen versuchen", hieß es dabei in einer Stellungnahme.

"Fin" erklärt die Steuerpflicht für Influencer:innen

Mit diesen Meldungen einher ging in Deutschland auch eine breit angelegte Informationskampagne, die auf geltende Gesetze stärker hinweisen sollte. Denn gerade von Influencer:innen wird gerne übersehen, dass auch für Sachleistungen (wie etwa Reisen, Hotelübernachtungen, kostenlose Produkte, Gutscheine gegen Erwähnung im produzierten Content) unter gewissen Umständen eine Verpflichtung zur Versteuerung anfallen kann.

Sehr kompakt setzt sich dabei folgender YouTube-Clip der Cartoon-Figur “Fin” mit der Thematik auseinander:

Der "Wilde Westen" der Sozialen Medien

Neben dem Vorgehen gegen gewerbsmäßigen Betrug geht es damit also auch um die Schaffung von mehr Bewusstsein in einem (relativ) neuen Geschäftsbereich, der sehr oft auch von sehr jungen Menschen angestrebt und betrieben wird. Im Gespräch mit der deutschen “Welt” bezeichnet eine Steuer-Expertin den Influencer:innen-Sektor in der Vergangenheit etwa als “Wilden Westen” aus steuerlicher Sicht, in dem wenig Gesetze zu gelten schienen. 

Diese Zeiten seien mittlerweile vorbei, auch weil die Finanzverwaltungen einen stärkeren Fokus darauf gelegt haben und vorhandene Regeln durchsetzen. Allerdings sind Geschäftsmodelle gerade in den Sozialen Medien einem beständigen und sehr schnellen Wandel unterworfen, mit dessen Tempo neben den Gesetzgeber:innen auch staatliche Institutionen oft weiterhin überfordert sind. 

So berichteten auch die Steuerfahnder im oben genannten Fall davon, dass sie für die Beweisführung eigene Methoden entwickeln mussten, um nur temporär aufscheinende Werbung (wie etwa Storys auf Instagram oder anderen Plattformen mit 24 Stunden) nachhaltig sichern zu können. Mehr Informationen zur Situation in Österreich finden Sie unter diesem Link in einem Puls24-Artikel.

Steuererleichtert im globalen Süden?

Um höheren Steuern zu entgehen, sind in den letzten Jahren Länder des globalen Südens bei Influencer:innen zunehmend beliebt geworden. Während in Europa etwa vor allem Zypern mit niedrigen Steuersätzen gezielt Medienheld:innen, die nebenbei auch als perfekte Werbeträger:innen für das Land fungieren, anlockte, gilt auf der Arabischen Halbinsel Dubai als wahre Steueroase. In nicht wenigen Fällen dient das Emirat mit der bedenklichen Menschenrechtssituation dabei aber als reine Scheinadresse für den Firmensitz und ist damit nur vermeintlich zur Vermeidung von Zahlungen geeignet.

Denn: Sowohl in Österreich wie auch in Deutschland sind jedenfalls auch dann dementsprechende Steuern zu entrichten, wenn sich zwar das eigene Unternehmen im Ausland befindet, der Lebensmittelpunkt aber weiterhin hier nachgewiesen werden kann. Zudem können selbst bei kompletter Verlagerung des Wohnsitzes in ein anderes Land unter Umständen Steuerverpflichtungen anfallen ("beschränkte Steuerpflicht", siehe dazu auch Artikel unter diesem Link).

Dass hinter Verfehlungen in diesem Bereich nur Unwissen stecken könnte, bezweifeln deutsche Ermittler:innen in der bereits eingangs angeführten Stellungnahme: “Allerdings zeigt sich der Vorsatz, mit dem die Social-Media-Steuerbetrüger agieren, auch in einem überproportional hohen Anteil von Wiederholungstäterinnen und -tätern.”