Medienheld:innen in the News: Nur Infotainment oder mehr?

Teil 2: Wer sind die Newsfluencer:innen und was machen sie? Praxis-Vorschläge für den Unterricht

Berichte & Reportagen
Es sind mehrere Screenshots von Newsfluencer:innen zu sehen, die sich mit dem Thema Trump beschäftigen
Von links unten im Uhrzeigersinn nach rechts unten: Ein Beitrag von "Die Chefredaktion", Dylan Page aka "News Daddy", Fabian Grischkat und Hugo Decrypte

Im ersten Teil unserer kurzen Artikelreihe über sogenannte Newsfluencer:innen haben wir uns sehr allgemein mit dem Begriff befasst und verschiedene Studien rund um dieses Phänomen präsentiert. Wie aber buhlen diese Influencer:innen nun um die Aufmerksamkeit ihrer Follower:innen und versuchen sie zu informieren, unterhalten oder sonst bei Laune zu halten? Verschreiben sie sich reinem Infotainment (also sehr stark unterhaltenden Nachrichtenformaten, Anm.) oder setzen sie auch auf “Hard News” (Politik, Wirtschaft, etc.)?

Wir wollen im Folgenden einige der Content-Creator:innen vorstellen und Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede herausarbeiten. Um dies in einem halbwegs vergleichbaren Rahmen tun zu können, wird dabei der Umgang mit Nachrichten rund um den wiedergewählten US-Präsidenten Donald Trump thematisiert. Vor allem bei zwei der weltweit einflussreichsten Newsfluencer kann dies sogar anhand der Angelobung am 20. Jänner 2025, also ein und demselben Nachrichtenereignis, gemacht werden. 

Zusätzlich sei hier aber auch angemerkt, dass das Aufgreifen von politischen Nachrichten meist nicht vorrangig ein Merkmal von Newsfluencer:innen ist. Die Wahl und die Angelobung von Trump sind allerdings ein derart großes globales Ereignis, dass sie von vielen dennoch in der einen oder anderen Form behandelt wurden. 

Dylan Page - der "News Daddy"

Wie bereits im ersten Teil besprochen, sind Newsfluencer:innen fast immer auf mehreren Social-Media-Plattformen präsent, um ein möglichst breites Publikum anzusprechen. Der Brite Dylan Page bezeichnet sich selbst als “Nummer 1 News-Account auf TikTok” und ist zudem auch noch auf YouTube, Instagram und seit Kurzem auch X/Twitter präsent. In vielen Medienberichten wird er als Paradebeispiel für Newsfluencer:innen hergenommen. Wie berichtet er über die Angelobung von Donald Trump?

TikTok

Passend zur Plattform ist das Video nur sehr kurz (1:47 Minuten) und liefert Informationsschnipsel im Schnelldurchlauf - durchaus auch ein Kennzeichen bei anderen Newsfluencer:innen.

@dylan.page

Nah Zuck definitely slept on the couch last night

♬ original sound - Dylan Page

Dylan Page springt beinahe im Sekundentakt von Information zu Information, beginnt mit Demonstrationen Pro & Contra Trump, prominenten Teilnehmer:innen bei der Angelobung - um bei Barack Obama gleich einen versteckten Hinweis über Scheidungsgerüchte einzustreuen, weil dieser ohne seine Ehefrau ankam (siehe mehr dazu unten). In dieser Tonart geht es auch weiter, um zum Abschluss noch einen Kurzüberblick über die ersten unterzeichneten Dekrete zu geben.

Obwohl dies alles ohne Atempause und Einordnung/Vertiefung passiert, bleibt erstaunlicherweise dennoch Zeit für kuriose Ereignisse an diesem Tag wie etwa eine Inaugurationsfeier in Nigeria, offensichtlich gefaktes Videomaterial von einem riesengroßen Trumpsohn Barron und einen kurz in den Ausschnitt der Bezzos-Verlobten starrenden Mark Zuckerberg.

Instagram

Dasselbe Video mit verkürzter Laufzeit findet sich auch auf dem Instagram-Kanal von Dylan Page.

YouTube

YouTube wiederum bietet - wie bei anderen Newsfluencer:innen - mehr Zeit (immerhin knapp über 15 Minuten) und damit Platz, um Inhalte unterzubringen.

Interessant aber auch hier, wie Dylan Page dieses mehr an Zeit konkret nutzt und füllt. Mit einer Explosion im Hintergrund startet er mit dem Satz: “Leute, was zum Teufel haben wir gestern gesehen? Ich dachte, die Angelobung von Präsidenten sei nur ein langweiliges politisches Event für alte Menschen…” Dann feuert er wieder ein Informationsfeuerwerk ab, bei dem kaum Zeit für eine Atempause bleibt. Sehr viel Beachtung hingegen schenkt er gerade zu Beginn für den Vorfall, wo Mark Zuckerberg für einen Sekundenbruchteil in den Ausschnitt der Bezzos-Verlobten Lauren Sanchez zu starren scheint. Alleine dieser Abschnitt dauert rund zwei Minuten und macht damit aus einem kurzen Wimpernschlag eine hoch gewichtete Nachricht. 

Danach folgt ein kurzer Ausflug zur doch eher als kurioses Detail zu bezeichnenden Inaugurationsfeier in Nigeria, um sich nach bereits knapp sechs Minuten Sendezeit doch einmal mit der eigentlichen Angelobung zu beschäftigen. Kurz werden die Inhalte der Antrittsrede von Trump thematisiert, mehr als Schlagworte liefert Page hier aber nicht. Über Mike Tyson, einen schwertschwingenden Donald Trump sowie ihn und Elon Musk tanzend bei der offiziellen Angelobungsparty landet das Video schließlich bei einem der größeren Aufreger des Tages, als Musk vermeintlich einen Hitlergruß bei der “Presidential Parade” zeigte. 

Zum Abschluss werden die ersten unterzeichneten Dekrete vorgestellt, ebenfalls im Schnelldurchlauf, aber immerhin drei Minuten lang. Die politisch wohl weitreichendsten Handlungen haben jedenfalls auffallend lediglich am Ende des Videos Platz. 

X/Twitter

X bzw. früher Twitter nutzt Dylan Page zudem interessanterweise dazu, um “Bonusmaterial” zu featuren, das in seinem YouTube-Content keinen Platz mehr fand.

Hugo Decrypte - Frankreichs Politik-Erklärer

Ein durchaus anderer Zugang zu Nachrichten- und Politik-Vermittlung lässt sich ganz gut mittels Frankreichs Top-Newsfluencer HugoDecrypte (bürgerlicher Name: Hugo Travers) veranschaulichen (Anmerkung: Untertitel lassen sich auf den einzelnen Kanälen selbst aktivieren). Dieser hat größere Reichweiten als mehrere etablierte französische Medienhäuser zusammengenommen sowie unter anderem etwa bereits Präsident Emmanuel Macron und andere prominente Persönlichkeiten interviewt. Wie berichtet er über die Angelobung von Donald Trump?

TikTok

Im Gegensatz zu Dylan Page erscheint das TikTok-Video von Hugo Decrypte schon fast wie ein News-Beitrag einer klassischen TV-Nachrichtensendung. Er erklärt dabei die ersten Maßnahmen, die durch Donald Trump als US-Präsident gesetzt wurden und ordnet sie teilweise auch ein, indem er etwa die Kritik von Expert:innen erwähnt. Kuriosen Nebenerscheinungen der Angelobung gibt er überhaupt keinen Platz, auch auf die Zeremonie geht er nicht ein.

Instagram

Ebenso wie bei Dylan Page ist auch bei Hugo Decrypte der Instagram-Content gleich wie jener auf TikTok.

YouTube

Erste Auffälligkeit beim YouTube-Video von Hugo Decrypte ist, dass es in einer werblichen Kooperation mit einer deutschen Bank entstanden ist, und dies zu Beginn auch eingeblendet wird. Danach verbleibt er durchaus im Stil der beiden Kurzvideoformate, berichtet fast wie ein klassischer Nachrichtensprecher über die ersten Maßnahmen von Donald Trump. Über fast 10 Minuten stellt er einzelne Maßnahmen vor, ordnet sie ein oder kündigt eine genauere Beschäftigung in der Zukunft damit an. 

Nach diesem Block folgen noch Kurznachrichten über andere Themengebiete, wie etwa die Hamas-Geiseln in Israel, die Waldbrände in Kalifornien oder französische Innenpolitik. Insgesamt erinnert das gesamte Video viel stärker an klassische Nachrichtenformate wie etwa die Beiträge von Dylan Page.

X/Twitter

Hugo Decrypte verfügt zwar über einen Auftritt auf X/Twitter, befüllt ihn allerdings seit Längerem nicht mehr mit neuem Content.

Vergleich von Dylan Page und Hugo Decrypte

Bereits im ersten Teil wurde anhand der Studienergebnisse herausgearbeitet, dass der Content und auch Stil einzelner Newsfluencer:innen sehr voneinander abweichen können. Und auch der Vergleich zwei der reichweitenstärksten Influencer:innen auf diesem Gebiet zeigt dies sehr deutlich. Während Dylan Page einen sehr klaren Hang zu Infotainment verfolgt, ist der Stil von Hugo Decrypte sehr nah an klassischen Nachrichtenformaten angesiedelt.

Dazu muss auch erwähnt werden, dass Dylan Page normalerweise sehr wenig über politische News berichtet. Er konzentriert sich sehr stark auf spektakuläre Ereignisse, die Welt der Prominenten und mysteriöse Erscheinungen. Im Gegensatz dazu geht es Hugo Decrypte vorwiegend um die Vermittlung von politischen Entscheidungen, auch indem er etwa Interviews mit Politiker:innen führt. 

Sehr deutlich zeigt sich im Vergleich der beiden Newsfluencer:innen, dass die Entscheidung für einen extrem reißerischen Auftritt á la Dylan Page nicht der einzige Weg zu großer Reichweite ist - auch wenn er durch den Algorithmus der Sozialen Medien wohl bevorteilt wird. Interessanterweise thematisiert dies Page in den oben verlinkten Videos auch immer wieder selbst, wenn er davon spricht, dass das Aufgreifen von gewissen Themen auf einem anderen Kanal nicht möglich gewesen sei, weil es “bestimmt zu viele Views gekostet hätte”. 

Deutschsprachige Newsfluencer:innen

Fabian Grischkat

Fabian Grischkat bezeichnet sich selbst als Newsfluencer, wie er in einem Porträt für das deutsche Branchenmagazin “journalist” betont. Er behandelt in seinen Beiträgen allgemeine politische Themen. Klimawandel und die Rechte queerer Menschen sind ihm dabei aber ein besonderes Anliegen. In folgendem Reel auf Instagram beschäftigt er sich etwa mit der Aussage des noch nicht angelobten Donald Trump, dass das US-Militär “zu woke” sei - und welche konkreten Auswirkungen dies haben könnte.

Die Chefredaktion

"Die Chefredaktion" wurde 2021 von der österreichischen Journalistin und Publizistin Melisa Erkurt gegründet und ist der Versuch, journalistische Inhalte einem jüngeren Publikum näherzubringen. Die Redaktion selbst setzt sich dabei bewusst auch aus jungen Menschen mit verschiedensten Hintergründen zusammen. Es werden vor allem politische und gesellschaftsrelevante Themen aufbereitet. Unten eingebettet als deklarierter Meinungsbeitrag eine Stellungnahme zum Auftritt von Elon Musk bei der “Presidential Parade”.

321max

“321max” alias Max Rogall berichtet über politische Zusammenhänge, oft auch aus queerer Perspektive. Er setzt sich dabei mit Maßnahmen und Aussagen kritisch auseinander, wie etwa hier mit einer Aussage von Donald Trump, der er Fakten über die Bildungssituation in den USA entgegensetzt:

@321maxx Replying to @R.a.b.e.n.s.c.h.w.a.r.z Trump liebt die wenig gebildeten. Das hat er selbst gesagt - und genau die haben ihm jetzt zum Sieg verholfen. Quelle: National Literacy Institute, 2022-2023 Content inspiration: @peterispeter #trump#harris#usa♬ original sound - Max

Nini erklärt Politik

Hinter “Nini erklärt Politik” steht die deutsche Politikwissenschafterin und freie Journalistin Nina Poppel. Sie versucht, komplexe politische Zusammenhänge möglichst einfach und nachvollziehbar mit einem Schuss Humor zu erklären. Unten eingebettet ist ihr Instagram-Reel über die ersten Maßnahmen von Donald Trump als Präsident, in dem die Haltung dazu aufgrund von Tonlage und Mimik durchaus herauskommt, eine konkrete Einordnung allerdings fehlt. 

Behandlung im Unterricht

Um das Thema Newsfluencer:innen im Unterricht zu behandeln, können etwa folgende Fragen am Beginn eingebracht werden:

  • Wenn ihr euch über das Weltgeschehen informiert, wo macht ihr das? Nutzt ihr TV-Sender, Zeitungen, deren Online-Plattformen oder überwiegend Soziale Medien?
  • Gibt es auf Sozialen Medien spezielle Kanäle, denen ihr (bei bestimmten Themengebieten) besonders vertraut?

Anschließend können Beiträge der genannten Quellen zu einem speziellen gemeinsamen Thema (wie etwa oben Trump/Angelobung von Trump) gegenübergestellt werden und auch verglichen werden. Sollte bei den Nennungen der Schüler:innen gar keine traditionellen Medien dabei sein, würde es sich selbstverständlich anbieten, einen zuvor ausgewählten Beitrag gegenüberzustellen.

Damit kann herausgearbeitet werden, wie einzelne Newsfluencer:innen an ein Thema herangehen, wie sie es aufbereiten, wodurch sie sich aber auch von einem traditionellen Nachrichten-Medium unterscheiden. Wertvolle Hinweise für eine entsprechende Bearbeitung des Themas finden Sie auch in unserer Praxis-Idee Medienanalyse (Sek I, Sek II). Für die Hinzunahme von Newsfluencer:innen müsste sie allerdings in einigen Punkten adaptiert werden.

Umgang mit Gerüchten

Sollte bei dem ausgewählten Thema auch stark mit Gerüchten gearbeitet werden (wie etwa oben mit der Erwähnung einer angeblichen Scheidung der Obamas), eignet sich folgende Kurz-Doku vom Medienmagazin Zapp gut zur eigenen Vorbereitung oder auch Vertiefung mit den Schüler:innen:

In der Sendung wird die Problematik von unsensibler Streuung von Gerüchten gut herausgearbeitet - auch wenn sie oft unter dem Deckmantel der “Aufklärung” erfolgen. In ihr erfolgt eine rechtliche Einordnung (die in Österreich ähnlich der deutschen ist, Anm.) und zudem wird auch die Sicht von Opfern ähnlicher Vorfälle (in der Sendung: Sexueller Missbrauch) beleuchtet.

Um einzelne Newsfluencer:innen genauer zu betrachten, bzw. das Thema Influencer:innen allgemein zu bearbeiten, können zudem auch unsere Praxis-Ideen Influencer:innen, sind das meine Freunde? (Primarstufe, Sek I) und Follow me: Charakteristika der Influencer:innen (Sek II) zur Vertiefung hilfreich sein.