Medienheld:innen unter Druck: Social Media & die Schönheit

Neue Praxis-Idee zu KI und Schönheitsfiltern ermöglicht kritisches Hinterfragen.

Berichte & Reportagen

Vorherrschende Schönheitsideale haben Menschen, und gerade Jugendliche mitten in der persönlichen und körperlichen Entwicklung, schon immer beeinflusst. Neben dem persönlichen Umfeld spielen Medien dabei eine große Rolle. In den letzten Jahren nehmen allgegenwärtige Soziale Medien eine weitere Kataylsatorenfunktion ein, die den Druck erhöhen.

Im Spiegel der Wissenschaft

Im wissenschaftlichen Artikel “Body Perceptions and Psychological Well-Being”, der knapp über 200 Untersuchungen und Studien zu dem Thema zusammenfasst, werden vor allem diese drei sozialwissenschaftlichen bzw. -psychologischen Theorien als wichtige Instrumente angeführt, um die Auswirkungen von Schönheitsidealen auf einzelne Individuen zu untersuchen:

  • Objektifizierung: Zentral ist hier das Thema der “Entmenschlichung", also die Degradierung eines Lebewesens/Subjekts zum Objekt. Sie liegt etwa vor, wenn Menschen nur nach ihrem Aussehen - und nicht in ihrer Gesamtheit - beurteilt werden, wie es in unserer Gesellschaft gerade bei Frauen sehr oft vorkommt (siehe etwa auch Praxis-Idee “Der Male Gaze in den Medien” [Sek I, Sek II]).
    Sehr tief verankerte Objektifizierung kann bei Individuen dazu führen, dass sie sich permanent “Selbst-Objektifizieren”, das heißt eine ständige Beobachter:innen-Rolle auf sich (bzw. ihren Körper) einnehmen und Vergleiche zu vorherrschenden (Schönheits)Idealen ziehen. Diese ruhelose Selbstbeobachtung kostet enorm viel Energie und kann im schlimmsten Fall zu psychischen Erkrankungen, wie etwa Essstörungen oder Depressionen führen. 
    Dazu heißt es in oben genanntem Artikel im Bezug auf mediale Vermittlung: “Diese Plattformen präsentieren oft sehr enge und unrealistische Schönheitsstandards, welche von den Nutzer:innen internalisiert werden, und einen permanenten Kreislauf der Objektifizierung und Selbstbeobachtung auslösen.”
  • Theorie des sozialen Vergleichs: Um Erkenntnisse von sich selbst zu gewinnen, stellen Menschen Vergleiche mit anderen an. Diese können grundsätzlich in drei Richtungen erfolgen: horizontal [auf gleicher Ebene], nach oben oder nach unten. Während horizontale Vergleiche üblicherweise die realistischten Informationen liefern, können Abwärtsvergleiche das Selbstwertgefühl schützen bzw. verbessern, Aufwärtsvergleiche hingegen die Motivation erhöhen. 
    Gerade letztere können aber auch zu Selbstabwertung und Frustration führen. “Soziale Medien fügen hier eine zusätzliche Ebene der Komplexität zur Dynamik des sozialen Vergleichs hinzu, indem sie soziale Akzeptanz messbar machen. Likes, Shares und Kommentare liefern greifbare Maßstäbe für sozialen und persönlichen 'Wert', wodurch die ständige 'Selbst-Evaluierung' des eigenen Aussehens noch einmal intensiviert wird", heißt es dazu im Artikel.
  • Selbstdiskrepanz-Theorie: Hier suchen das tatsächliche Selbstbild, das selbsterschaffene Idealbild mit allen Zielen und Ambitionen sowie auch das Soll-Selbst, das sich aus den Erwartungen anderer bzw. der Gesellschaft speist, nach einem ständigen Ausgleich. Werden die Diskrepanzen zu groß, kann dies zu einem Unwohlsein und psychischer Belastung führen. 
    Dazu halten die Wissenschafter:innen fest: “Oft spiegeln sich hier gesellschaftliche oder kulturelle Schönheitsideale wieder, die von einzelnen Menschen verinnerlicht werden und zu allgemeinen Maßstäben erhoben werden. Der durchdringende Einfluss von Sozialen Medien, Werbung und Popkultur legt die Latten bei den Idealen immer höher und lässt sie als Mindeststandard und nicht mehr als Ausnahmen und Einzelbeispiele erscheinen.”

Jugendliche unter Druck

Welchen Stellenwert Soziale Medien bei der Entwicklung und Vermittlung von Schönheitsidealen haben, hat im letzten Jahr die Studie “Schönheitsideale im Internet” von Saferinternet.at genauer untersucht. Rund 70 Prozent der befragten österreichischen Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren sind zumindest „eher zufrieden“ mit ihrem Aussehen. Dennoch würden über die Hälfte (51%) gerne etwas an ihrem Körper ändern, bei den Mädchen sind es sogar 60 Prozent. 

61 Prozent der Befragten posten Fotos oder Videos von sich in Sozialen Medien. Wichtig ist es ihnen vor allem, schön (68%), gestylt (64%) und schlank (54%) auszusehen. Sich sexy darzustellen, ist für 34 Prozent von Bedeutung, wobei Burschen (40%) darauf deutlich mehr Wert legen als Mädchen (27%). Zudem wurde auch erhoben, wie stark die Nutzung die Selbstwahrnehmung von Jugendlichen beeinflusst. Über ein Viertel (27%) betonte die negativen Folgen und gab an, sich nach dem Scrollen durch die diversen Social-Media-Feeds schlecht zu fühlen. Rund die Hälfte (53%) erklärte, aufgrund entsprechender Bilder schon einmal etwas am eigenen Aussehen geändert zu haben.

TikTok sperrt Schönheitsfilter für Jugendliche

Auf Grundlage der Untersuchung “Ohne Filter” der britischen NGO “Internet matters” kündigte TikTok im vergangenen Jahr an, künftig Schönheitsfilter für alle unter 18 Jahren zu sperren. Eine eigene KI sollte dabei das Umgehen der Altersbeschränkung verunmöglichen. Damit wolle man eine “Kultur der Authentizität, des Respekts und der Unterstützung” fördern und sich jede(r) dazu eingeladen fühlen, “das wahre Ich zu zeigen”, hieß es vom Unternehmen damals.

Allerdings sorgte erst in diesem Frühjahr der “Chubby Filter” auf der Plattform für erneute Kritik. Mittels KI wurden hierbei Fotos von User:innen künstlich molliger gemacht. Expert:innen warfen TikTok vor, damit Bodyshaming Vorschub zu leisten. Ende März wurde der Filter daraufhin zurückgezogen und laut dem Unternehmen alle Videos gesperrt, die ihn bis dahin verwendet hatten.


Neue Praxis-Idee "KI & Schönheitsfilter"

Bei unserer neu erschienenen Praxis-Idee “KI & Schönheitsfilter - Wie KI den Blick auf den Körper verändert” (Sek I, Sek II) werfen Schüler:innen einen kritischen Blick auf Schönheitsfilter in Sozialen Medien und können vorherrschende Schönheitsideale kritisch hinterfragen. 

Dazu beschäftigen sie sich in zwei aufeinander aufbauenden Modulen mit der Funktionsweise von KI-Filtern und setzen sich im Rahmen einer Mini-Kampagne mit Meinungen zu Schönheit und Schönheitsidealen auseinander. Die Umsetzung der Praxis-Idee ist auf ca. 3 Schulstunden ausgelegt, Hintergrundmaterial wird zur Verfügung gestellt.