Finfluencer:innen und der Mythos vom "schnellen Geld"

Auch wenn manche Medienheld:innen anderes behaupten: "Easy Money" liegt weder auf der Straße noch im Internet.

Berichte & Reportagen
Finfluencer:innen beschäftigen sich mit Themen rund um Finanzanlagen und -dienstleistungen sowie Geldanlagetipps.

Das Geld liegt auf der Straße, wann greifst du endlich zu? Wenn du jetzt noch nicht reich bist, dann warst du bisher nur zu faul! Hast du das richtige Mindset für wirklich viel Kohle? Das sind Fragen bzw. Aussagen, die durchaus auch von sogenannten Finfluencer:innen kommen könnten. Also jener Sparte von Influencer:innen, die sich mit Themen rund um Geldvermehrung, Finanzanlagen und -dienstleistungen beschäftigen und via Sozialer Medien an ihre Follower:innen weitergeben.

Sie bewegen sich in einem Spannungsfeld, in dem es manchen durchaus um die Vermittlung von wirtschaftlichen Zusammenhängen und Informationen rund um Finanzwelt und Vermögen geht. Andererseits sind hier auch knallharte wirtschaftliche Eigeninteressen, oft wenig transparent ausgewiesen, und im schlimmsten Fall auch betrügerische Methoden vertreten. Spätestens bei diesen stellen sich dann ganz andere Fragen als jene, die im oberen Absatz erwähnt wurden.

Männlich dominierte Szene mit wenigen Groß-Accounts

Grundsätzlich gilt selbstverständlich: Schnelles Geld gibt es im Normalfall nicht. Alle Versprechungen in diese Richtungen sollten jedenfalls die ersten Alarmglocken schrillen lassen. Eine Studie in Kooperation mit der FH St. Pölten über die gesamte deutschsprachige Finfluencer:innen-Szene zeichnet hier durchaus ein beruhigendes Bild, als es dem überwiegenden Teil der Influencer:innen im Finanzbereich durchaus um eine seriöse Auseinandersetzung mit dem Thema geht.

Die im Juli 2024 veröffentlichte Untersuchung stellt einerseits fest, dass der “Markt” der Finanz-Influencer:innen in den letzten zehn Jahren ein bemerkenswertes Wachstum hingelegt hat, mit einem besonders hohen Anstieg während der Corona-Jahre. 278 waren es anhand der maßgebenden Auswahlkriterien im Untersuchungszeitraum im gesamten deutschsprachigen Raum, davon 5% (14) aus Österreich. 73% der Finfluencer:innen waren männlich, wobei diese Dominanz umso mehr ins Gewicht fällt, wenn in Betracht gezogen wird, dass 86% der gesamten Follower:innen diesen Accounts folgten.

Noch stärker zeigt sich dies bei der Segmentierung in Macro- (über 100.000 Follower:innen), Micro- (10.000 bis 100.000) und Nano-Finfluencer:innen (unter 10.000 Follower:innen, aber über 1.000). Die Groß-Accounts (konkret 38) teilen unter sich 78% der Gesamt-Follower:innen auf, die vier Frauen zuordenbaren Accounts in diesem Segment erreichen lediglich 4% der Reichweite von allen 38. Interessanter Fakt dabei: Rein männliche Accounts sprechen fast ausschließlich männliches Publikum an, weibliche hingegen ein gemischtes. Deshalb setzen manche Accounts auch auf Teamlösungen bei der Präsentation mit einer diversen Zusammensetzung.

Bei den verwendeten Social-Media-Kanälen überwiegen Instagram, YouTube und TikTok. Wobei hier ein bemerkenswerter Unterschied zum englischsprachigen Raum vorliegt, in dem X (früher Twitter) eine viel bedeutendere Rolle einnimmt. In Deutschland, Österreich und der Schweiz spielt dieser Kanal hingegen de facto keine Rolle. 91% der Finfluencer:innen betreiben zudem eine Webseite, 62% einen Blog und 29% einen Podcast. Gerade über die letzteren bauen sie meistens auch eine Glaubwürdigkeit bzw. auch Seriosität auf.

Kein rechtlicher Rahmen und wenig Transparenz

Alle für diesen Artikel zurate gezogenen Untersuchungen bemängeln im Bezug auf Finfluencer:innen vor allem die fehlenden rechtlichen Rahmenbedingungen für die angebotenen Beratungsleistungen in den Sozialen Medien. Während es für klassische Anlageberater:innen und auch Werbung im Finanzbereich sehr klare Richtlinien gibt, fehlen diese für den digitalen Raum völlig. "Finfluencer Relations" führt zwar einige (deutsche) Gesetze an, die auch Finfluencer:innen einschränken, halten aber mit dem Rechtswissenschafter Felix Pflücke fest, “dass die derzeitige Regulierung den Aktivitäten von Finfluencern und potenziellen Schäden ihrer Tätigkeit nicht gerecht wird”.

Oft kritisiert wird in diesem Zusammenhang auch, dass für das Anbieten von Tipps und Ratschlägen rund um die Finanzmärkte in den Sozialen Medien keine verpflichtende Fachausbildung nachgewiesen werden muss. Laut der oben erwähnten Studie verfügen aber immerhin 37% der gesamten und 45% der Top-38-Finfluencer:innen über einschlägige Bildung oder Berufserfahrung in diesem Bereich. Andererseits sind aber auch von Philosoph:innen, über Psycholog:innen bis hin zu Bäcker:innen viele andere ursprüngliche Berufssparten unter diesen Medienheld:innen zu finden.

Diese zählen zu den 27% jener Accounts, die auch explizit darauf hinweisen, dass sie über keine entsprechende Ausbildung verfügen. Oft wird hier dann auf eine besonders hohe autoditaktische Wissensaneignung aufgrund negativer Erfahrungen mit professionellen Anlageberater:innen verwiesen. 36% Prozent der Finfluencer:innen führen hingegen gar keine Informationen zu ihren eigentlichen Ausbildungen an. Damit erfüllen sie die Anforderungen der hier auch sehr klar gesetzlich geregelten Transparenz nicht. 

Schnelles Geld - aber für wen?

Wie aber finanzieren sich nun die Finfluencer:innen ihre Auftritte? 95% der Top-38-Accounts aus der Studie “Finfluencer Relations” setzen hierbei auf Affiliate Marketing, d.h. durch Provisionen beim Verkauf von auf ihren Kanälen verlinkten Produkten anderer Unternehmen. Dabei handelt es sich interessanterweise nicht nur um Finanzprodukte sondern auch Lifestyle-Artikel und andere. Auch der “Praxischeck Finfluencer:innen” der AK Wien stellt dieses Geschäftsmodell bei seiner Untersuchung für den österreichischen Raum als häufig vertreten fest.

Zudem wird in diesem Spektrum auch noch ganz stark auf das Anbieten von (meist kostenpflichtigen) Vorträgen, Workshops und (Einzel-)Coachings gesetzt sowie den Vertrieb von selbst verfassten Büchern und Ratgebern. Gerade für erstere dienen oft kostenlose “Basisseminare” als Bewerbung bzw. Einstieg, wozu die AK Wien festhält: “Allerdings lassen sich die kostenlosen von den kostenpflichtigen Geschäftsmodellen nicht immer klar abgrenzen, da diese Monetarisierungsoptionen oft ineinander verschwimmen - wo hören die allgemeinen Tipps auf, wo beginnt der Workshop, ab wann ist es ein Coaching?”

Ein kritisches Hinterfragen von Finanzierungsformen der in den Sozialen Medien auftretenden Akteur:innen ist daher jedenfalls immer angebracht, gerade auch in diesem risikobehafteten Bereich.


Checklist Finfluencer:innen

Ein seriöses Agieren von Influencer:innen im Finanzbereich kann anhand folgender Punkte einem Schnellcheck unterzogen werden:

  • Legt der Account seine Identität, Expertise und Eigeninteressen offen? Allzu vage Angaben ("Habe das sechs Jahre an der Börse gelernt") in diesem Bereich sollten eher Vorsicht walten lassen.
  • Wie finanziert sich der/die Finfluencer:in? Herrscht Klarheit über das Geschäftsmodell, so können auch die getroffenen Aussagen besser bewertet werden.
  • Werden aggressiv nur einseitige Investitionen vermarktet? Hinter solch einer Taktik könnten etwa Eigeninteressen stecken. Jedenfalls ist dies meilenweit vom oftmals abgegebenen Versprechen der objektiven Information entfernt, vor allem auch, wenn etwa nicht über Risiken gesprochen wird.
  • Klingen die Versprechen zu schön, um wahr zu sein? Besonders hohe Renditeversprechen sollten die Alarmglocken schrillen lassen. Es gibt kein “schnelles Geld”, zumindest keines ohne entsprechend hohem Risiko.

Offener Betrug mit KI-Deepfakes und Berühmtheiten

Entgegen einer weit verbreiteten Annahme nehmen Kryptowährungen bei den deutschsprachigen Finfluencer:innen meist keinen großen Platz ein (siehe “Finfluencer Relations”, Seite 27). Anders sieht es allerdings bei Fällen von offenem Betrug aus, bei dem dieses digitale Zahlungsmittel immer wieder eine zentrale Rolle spielte. So berichtete die Faktenchecker-Plattform Mimikama in den letzten Jahren etwa über gefälschte Empfehlungen von beliebten TV-Berühmtheiten wie Armin Assinger und Armin Wolf für dubiose Investmentplattformen.

Laut einem Bericht des North Carolina Banking Institute wurde mit solcherlei Methoden allein in den USA ab 2022 jährlich rund 3,8 Milliarden US-Dollar Schaden angerichtet, was eine deutliche Steigerung im Vergleich zu den Vorjahren darstellt. Auf bekannte Persönlichkeiten wird dabei vor allem deswegen zurückgegriffen, weil diesen eine besonders hohe Glaubwürdigkeit bei Finanzfragen zugestanden wird.

Oft wird dabei auch auf KI-Deepfakes gesetzt, wie Mimikama anhand eines aktuellen Falls rund um den deutschen Vizekanzler Lars Klingbeil zeigt. Neben einem gefälschten Video wird hier auch mit einer auf den ersten Blick authentisch wirkenden Fake-Webseite der “Tagesschau” gearbeitet, um dann im letzten Schritt an die Daten der User:innen zu gelangen.


Erwähnte Studien bzw. Reports

Für diesen Artikel wurden folgende Studien bzw. Reports verwendet:

  • Finfluencer Relations (DIRK - Deutscher Investor Relations Verband e.V., 2024): In Kooperation mit u.a. der FH St. Pölten wird in diesem Papier die Finfluencer:innen-Szene auf ihre Merkmale und Hintergründe hin untersucht.
  • Praxischeck Finfluencer:innen (AK Wien, 2023/24 - Download im verlinkten Artikel): Die Studie beschäftigt sich vor allem mit österreichischen Vertreter:innen dieser Sparte und nimmt ihre Geschäftsmodelle unter die Lupe.
  • TikTok: Is it Time to Regulate “Finfluencer” Investment Advice on Social Media? (North Carolina Banking Institute, 2024): Vor dem Hintergrund des US-amerikanischen Rechts wird die Möglichkeit/Notwendigkeit von Regulierung für Finfluencer:innen untersucht.