YouTuber und das Geschäft mit der Angst

Wie YouTuberInnen mit Grusel-Content für Kinder Geld machen und welche Mechanismen dahinter stecken.

Berichte & Reportagen Jugendkultur
YouTuberin Rebekah Wing strickte zuletzt eine gruselige Entführungsgeschichte rund um die Charaktere Anna, Elsa und Olaf aus dem Disney-Film "Die Eiskönigin".

Was im Märchen häufig der böse Wolf oder die Hexe ist, nannte sich auf YouTube zuletzt Momo, Gamemaster, Forky oder Elsa. Die Rede ist von mystischen Gruselfiguren, die vor allem Kindern Angst einjagen können. Auf der Videoplattform YouTube finden sich unzählige Kanäle, die fast ausschließlich Videos mit gruseligen Inhalten zu solch fiktiven Schreckgestalten produzieren. Die Zielgruppe dieser Videos sind vor allem Kinder im Volksschulalter – also eben jene, für die solche Inhalte besonders furchterregend wirken können.

Spuk-Content mit simplen Tricks

Zu den bekanntesten Grusel-YouTuberInnen im deutschsprachigen Raum zählen vor allem Rebekah Wing und Kelvin und Marvin (auch bekannt als “Prank Bros”). Das Schema der Gruselvideos ist meist sehr ähnlich: Die YouTuberInnen erhalten angsteinflößende Drohungen von fiktiven Gruselfiguren, gekoppelt mit Aufgaben oder Herausforderungen, die gelöst werden müssen um die Drohung abzuwenden.

Dazu bedienen sich die VideoproduzentInnen allerlei verschiedenster Tricks: WhatsApp-Chats werden gefälscht, Stimmen gruselig verzerrt, Gegenstände präpariert oder Bekannte mit gruseligen Masken wirkungsvoll in Szene gesetzt. In den Videos ist es natürlich meist spät nachts ("3 Uhr nachts"), was sich mit verstellten Uhren im Hintergrund leicht suggerieren lässt, da viele Videos ohnehin nur indoor gefilmt werden.

Die Ideen für derartige Videos schauen sich deutschsprachige Grusel-YouTuberInnen gerne von amerikanischen Kanälen ab. Einige scheuen auch nicht davor zurück die Videos ihrer US-Pendants eins zu eins nachzuahmen und dabei lediglich ins Deutsche zu übersetzen. Da die junge, deutschsprachige Zielgruppe meist noch keine englischen Videoinhalte konsumiert, besteht dabei kaum Gefahr, dass den eigenen Fans das Imitat auffällt.

Angst, Klicks und Werbeeinnahmen

Während Erwachsene die meist sehr simple Inszenierung schnell durchschauen und eher belächeln, können solche Videos Kinder durchaus verschrecken. Ängste vor Gespenstern, Fantasiewesen oder auch Einbrechern, für die Kinder im Volksschulalter noch empfänglich sein können, werden hier gekonnt genutzt um möglichst viele Klicks zu generieren. Denn je öfter die Grusel-Videos geschaut werden, desto höher sind die Einnahmen über die Werbeeinschaltungen, an denen die YouTuberInnen beteiligt werden (Stichwort Monetarisierung). Die gruseligen Inhalte sind für Kinder aber natürlich auch spannend, sich dem zu stellen ist eine kleine Herausforderung. Zudem werden die Handlungsstränge gerne über mehrere Videos hinweg inszeniert, so dass die ZuseherInnen dran bleiben – und die anteiligen Werbeeinnahmen auch beim nächsten Video wieder hoch sind.

Durch ihr sehr jugendliches Auftreten wird suggeriert, dass sich die YouTuberInnen auf derselben Augenhöhe wie ihr Publikum befinden. Direktes Ansprechen der ZuhörerInnen, Aufruf zu Kommentaren oder Reaktionen darauf vermitteln ein Community-Gefühl. All das sorgt auch für Glaubwürdigkeit und Vertrauen, das die jungen ZuseherInnen den YouTuberInnen entgegen bringen. Bei gruseligen Aufgaben oder Drohungen fiebern viele junge ZuseherInnen daher umso stärker mit, wenn sie ihr Idol in Gefahr wähnen. Gleichzeitig wird dabei seitens der KanalbetreiberInnen aber teilweise auch streng kontrolliert: Oftmals werden kritische Kommentare, die z.B. Schlagwörter wie "Fake" enthalten, gar nicht erst angezeigt und aufgrund der individuellen Einstellungen der YouTuberInnen sofort ausgeblendet.

Im Unterricht: Medienkritik üben

Derartige Videos können im Unterricht gut zum Anlass genommen werden um schon im jungen Alter Medienkritik zu üben. Hinterfragen Sie gemeinsam mit Ihren SchülerInnen die Inhalte solcher Videos und entlarven gemeinsam die Tricks dahinter. Demonstrieren Sie z.B. wie einfach es ist mit Online-Tools gemeinsam einen WhatsApp-Chat zu fälschen oder die eigene Stimme zu verzerren. Generell eignet sich das Thema gut als altersgerechter Einstieg in das Thema Fake News (ebenso wie das Thema Kettenbriefe). In unserem Video ‘Praxis-Ideen zum Thema Fake News’ können Sie unter anderem herzeigen, wie einfach z.B. ein Bild manipuliert werden kann. Alternativ eignen sich weiterführend auch die Praxis-Ideen ‘Können Bilder lügen?’ oder ‘Faktencheck’. Ein kreativer Zugang wäre es auch, gemeinsam mit den SchülerInnen selbst ein “gruseliges” Video aufzunehmen um auf diese Art typische Tricks zu demonstrieren. Zur Aufklärung solcher Videos eignen sich auch YouTube-Kanäle wie ‘offen un ehrlich’, dort werden die Tricks und auch die Fehler von Rebekah Wing und Co. regelmäßig auf humorvolle Weise offenbart.



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