Medienheld:innen und die Sprache - Teil 2
Wie die gesprochene Sprache von Influencer:innen auf TikTok, YouTube, Instagram und Co. klingt, ist meist weniger von ihrer Herkunft, als von der gewünschten Reichweite und der Zielgruppe abhängig – mehr darüber in Teil 1. Doch auch in der geschriebenen Sprache in den sozialen Medien lassen sich spannende Eigenheiten beobachten.
Kleinschreibung und Abkürzungen
Auf Social Media-Plattformen ist es oft üblich, auf Groß- und Kleinschreibung gänzlich zu verzichten und alles klein zu schreiben. Auch Satzzeichen werden nur sparsam verwendet. In Chats, Nachrichten und Kommentaren werden gerne Abkürzungen verwendet. Zum Beispiel drücken Gamer:innen mit “afk” aus, dass sie “away from keyboard”, also kurz weg von der Tastatur sind. In Instagram-Stories wird mit “AMA”, für “ask me anything”, gern eine Fragerunde eröffnet, in der Follower:innen Fragen schicken können. Wird in Social Media-Kommentaren diskutiert, stolpert man womöglich über “IMO” oder “IMHO”, was für “in my opinion” oder “in my honest/humble opinion”, also “meiner (ehrlichen/bescheidenen) Meinung nach”, steht. Erstaunen wird gerne mit “OMG” für “Oh mein Gott” ausgedrückt und wer um etwas bittet, tut dies häufig mit “Pls/Plz”.
Mit Algospeak den Algorithmus austricksen
Besonders spannende, schriftliche Wortvariationen ergeben sich neuerdings durch das sogenannte Algospeak. Dabei wird z.B. Sex zu Seggs oder S3x, Porno zu P0rn0, Rassismus zu R@ssismus, schwul zu s<hwul oder lesbian zu le$bean. Diese Sprachvariationen werden von Influencer:innen genutzt, um bestimmte Wörter zu umgehen, die sogenannte Shadow Banning-Algorithmen auslösen. Von Shadow Banning spricht man, wenn die Sichtbarkeit und Reichweite eines Social-Media-Beitrags unbemerkt begrenzt wird. Allgemein geht man davon aus, dass solche Shadow-Banning-Algorithmen vor allem die Captions (Textbeschreibungen) von Social-Media-Beiträgen durchsuchen. Da niemand weiß, was genau die “verbotenen” Begriffe sind, kursieren Verfremdungen zu vielen verschiedenen Begriffen.
Emojis statt Emotionen
Während man den Worten in der gesprochenen Sprache über die Mimik oder den Tonfall noch verschiedene Bedeutungen verleihen kann, fällt dies im schriftlichen in der Regel weg. Um das auszugleichen, kommen Emojis zum Einsatz. Ist z.B. etwas traurig, werden weinende Emojis verwendet. Findet man etwas sehr gut, wird das - je nach Alter - mit einem Flammen-Emoji (Jugendliche) oder einem Daumen-hoch-Emoji (Erwachsene) gewürdigt. Ist man verärgert, greift man womöglich zu wütenden Emojis oder gar zum ausgestreckten Mittelfinger.
Sprachverfall vs. Sprachwandel
Während kritische Stimmen durch all die genannten Einflüsse den Verfall der deutschen Sprache fürchten, sprechen Sprachwissenschaftler:innen in diesem Zusammenhang vom Sprachwandel. Dieser führe zum Ausbau der Sprache. Denn Sprachvarietäten - wie jene auf Social Media - haben demzufolge keinen Einfluss auf unser Standarddeutsch. Vielmehr erweitern sie die sprachliche Flexibilität und Kompetenz, indem zwischen formell schriftlich, informell schriftlich und mündlicher Sprache variiert werden kann. Denn in der Regel wissen die Kinder und Jugendlichen sehr gut, in welchen Situationen welche Sprache angemessen ist.
Tipps für den Unterricht:
Die in sozialen Medien geschriebene Sprache steht in der Praxis-Idee Jugendsprache reflektieren im Mittelpunkt. Die Aktivitäten dieser Praxis-Idee lassen sich auch gut auf Algospeak anwenden.
Mit den vielfältigen Deutungsmöglichkeiten von Emojis setzen sich die Schüler:innen in der Praxis-Idee Emojis, Wort und Text auseinander.
Sprechen Sie mit Ihren Schüler:innen darüber, wann sie wie schreiben: Wie schreiben sie in der Schule, wie in Nachrichten mit Freund:innen? Wie würden sie eine Bewerbungs-E-Mail schreiben? Sprengen Sie diese Grenzen bewusst, indem Sie die Schüler:innen einen kurzen Text in einer für sie typischen Chat-Sprache aufschreiben oder übersetzen lassen. Auch eine Bewerbungs-E-Mail in Chat-Sprache kann spannende Ergebnisse liefern. Im Anschluss können die Ergebnisse gezeigt und gemeinsam reflektiert werden.
Weitere Tipps für den Unterricht sind auch in Teil 1 zu finden.