Medienheld:innen: Wenn Kinder Influencer:innen werden

Kidfluencer:innen sind zu einem lukrativen Geschäftsmodell geworden - welche Problematiken birgt es?

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Zwei Mädchen vor einem Smartphone in Pose
Influencer:innen werden zunehmend jünger...

Influencer:innen-Marketing ist momentan einer der am rasantest wachsenden Geschäftsbereiche der globalen Wirtschaft. Wurden damit 2020 weltweit noch rund 8 Milliarden US-Dollar lukriert, so werden es laut aktuellsten Berechnungen 2030 bereits 143,1 Milliarden US-Dollar sein - das entspricht einer jährlichen Wachstumsrate von rund 30 Prozent. Zum Vergleich: Das Wiener BIP betrug 2020 rund 102 Milliarden US-Dollar.

Kidfluencer:innen werden immer jünger

Immer wichtiger werden dabei auch sogenannte Kidfluencer:innen, also Kinder, die zu Influencer:innen werden. Die Definition davon ist unterschiedlich, hält sich aber meist an die von YouTube, Instagram, TikTok und Co. selbst vorgegebenen Richtlinien: Demnach dürfen Kinder unter 13 Jahren keinen eigenen Account betreiben, danach benötigen sie bis zum Alter von 17 Jahren zumindest die Einverständnis ihrer Eltern. Influencer:innen unterhalb dieses Alters werden daher meist als Kidfluencer:innen bezeichnet. Die momentan erfolgreichste ist Charli D´Amelio mit rund 40 Millionen Follower:innen, auf Rang vier einer Top-100-Liste folgt mit der neunjährigen Everleigh Rose Soutas die erste Influencer:in unter 13 mit rund fünf Millionen Follower:innen. Knapp dahinter liegt die fünfjährige Elle Lively McBroom mit knapp 4,5 Millionen Follower:innen.

Die zu beobachtende Entwicklung zu immer jüngeren Influencer:innen lässt sich dabei relativ einfach erklären: Laut einer Untersuchung des US-Meinungsforschungsinstituts Pew Research Center werden Videos mit Kindern unter 13 Jahren als Hauptdarsteller:innen im Schnitt dreimal öfter geklickt als andere. Pro 10.000 Follower:innen können mit gesponserten Posts dabei rund 100 US-Dollar (umgerechnet 94 Euro) eingespielt werden. Seit 2018 führt der mittlerweile zehnjährige Ryan Kaji mit dem Kanal "Ryan's World" und seinen über 32 Millionen Abonnent:innen die Liste der Topverdiener:innen auf YouTube an. 2020 soll er (bzw. seine Familie) mit seinen Videos knapp 30 Millionen US-Dollar verdient haben.

Wenn Spiel zur Arbeit wird

So begrüßenswert es aus medienpädagogischer Sicht auch durchaus ist, dass Kinder mit digitalen Medien in Kontakt kommen, so technische und Medienkompetenzen aufbauen und ihre Kreativität ausleben können, so kritisch muss dennoch das Phänomen Kidfluencer:innen betrachtet werden. Größte Problematik dabei ist vor allem, dass die Social-Media-Auftritte aus rein rechtlichen Gründen meist von den Eltern, in weniger Fällen auch von älteren Geschwistern der Kinder betrieben werden. Die Grenze zu finanzieller Ausbeutung ist damit zumindest fließend, noch dazu fehlt es in vielen Ländern an klaren Regelungen der Arbeitsbedingungen von Kindern auf Social Media.

Für den US-amerikanischen Raum hat Marina Masterson in ihrer Arbeit "When play  becomes work" die bestehenden Herausforderungen ziemlich konkret herausgearbeitet. Mit Frankreich hat in Europa erstmals ein Land klare gesetzliche Regelungen für Kidfluencer:innen in Kraft gesetzt, die vorschreiben, dass das von Kindern unter 16 Jahren verdiente Geld auf ein gesperrtes Konto eingezahlt werden muss. Nach dem 16. Geburtstag dürfen die Kinder dann selbständig über dieses verfügen.

Die deutsche Influencerin Toyah Diebel setzte sich mit ihren Projekten #deinkindauchnicht und #DigitaleKinderarbeit sowohl für den Schutz der Persönlichkeitsrechte von Kindern wie auch für genaue Gesetze bezüglich Kinderarbeit in Sozialen Medien ein. In Österreich forderten die Kinder- und Jugendanwaltschaften erst im September 2021 klare Schutzbestimmungen für Kinder in einem Offenen Brief an Arbeitsminister Martin Kocher. Dabei wird vor allem auch eingefordert, dass das Recht der Kinder auf Privat- und Intimsphäre gewahrt bleiben muss.

Das Recht am eigenen Bild und Sexualisierung

Damit wird auch ein weiterer wichtiger Aspekt beim Thema Kidfluencer:innen aufgeworfen: Die Verletzung der Persönlichkeitsrechte der Kinder. Dies passiert auch bei sonstigen Veröffentlichungen von Bildern mit Kindern in Sozialen Netzwerken, bei professionell betriebenen Kanälen stellt sich diese Frage aber umso mehr. Eine Studie des Deutschen Kinderhilfswerkes in Kooperation mit der Uni Köln ergab dabei, dass es diesbezüglich vielen Eltern an nötigem Wissen und Medienkompetenzen mangelt. Der Schutz der Privatsphäre von Kindern ist dabei in der UN-Kinderrechtskonvention, die auch in Österreich Gesetzeskraft besitzt, sehr deutlich geregelt.

Bei einem der bekanntesten deutschen Influencer:innen-Pärchen, Maren und Tobias Wolf, führten Überlegungen in diese Richtung etwa dazu, dass sie ihren ersten Sohn auf Bildern nur noch von hinten oder zensiert herzeigten. Vor der Geburt hatte ein bereits angelegter Instagram-Account des ungeborenen Kindes binnen Kurzem Tausende Follower:innen gesammelt.

Ein weiterer Aspekt betrifft dabei im Speziellen Mädchen, die oft in aufreizenden Posen und sexualisierten Darstellungen abgebildet werden, um so noch mehr Clicks zu generieren. Damit werden typische Geschlechterrollen reproduziert und die Bilder der Kinder werden auch leicht missbräuchlich verwendet. 2019 wurde dies etwa für die Videoplattform YouTube wegen zunehmender Kritik zum Problem, sie geht seither schärfer gegen Videos mit leicht bekleideten Kindern vor. Aber auch Instagram oder TikTok musste sich zuletzt verstärkt mit diesem Thema auseinandersetzen.


Praxis-Ideen für den Unterricht

Um einzelne Aspekte des Themas Kidfluencer:innen im Unterricht zu behandeln, können folgende Praxis-Ideen hilfreich sein: Mit der Praxis-Idee "Influencer:innen: Sind das meine Freund:innen?" (PS, Sek1) kann mit den Schüler:innen kritisch ihre Bindung zu ihren Lieblings-Influencer:innen reflektiert werden. Die Praxis-Idee "Follow me: Charakteristika der Influencer:innen" (Sek2) eignet sich mit älteren Schüler:innen dafür, Strategien von Influencer:innen genauer zu hinterfragen. Die Praxis-Idee "Meine Fotos im Internet" (Sek1, Sek2) kann für eine Auseinandersetzung mit Urheberrecht und Recht am eigenen Bild eingesetzt werden. Für jüngere Schüler:innen eignet sich hier die Praxis-Idee "Peinliche Fotos" (PS). Schließlich können mit der Praxis-Idee "Geschlechtsstereotype Medienheld:innen" (PS) die typischen Geschlechterrollen in der Medienwelt hinterfragt werden.





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